Behörden zogen im letzten Moment Notbremse
Tschanun bekam Job mitten in Zürich!

Ausgerechnet in Zürich sollte Günther Tschanun nach abgesessener Strafe wieder Fuss fassen. Im letzten Moment intervenierte der Zürcher Regierungsrat – aus Respekt vor den Opfern des Vierfachkillers.
Publiziert: 17.04.2021 um 23:03 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2021 um 18:13 Uhr
Noch vor seiner definitiven Entlassung aus der Strafanstalt durfte Günther Tschanun eine Stelle antreten.
Foto: Keystone
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Im Jahr 2000 und nach 14 Jahren Freiheitsstrafe wurde der Vierfachkiller Günther Tschanun (†73) aus der Strafanstalt Saxerriet entlassen. Jetzt wird bekannt: Schon vor dessen endgültiger Entlassung aus dem Knast konnte Tschanun eine neue Stelle ausserhalb der Mauern vom Saxerriet antreten. Und das ausgerechnet in Zürich, wo er als Chef der Zürcher Baupolizei am 16. April 1986 vier Mitarbeiter getötet hatte.

Zum Job verhilft Tschanun der damalige Zürcher Galerist und Verleger Walter Keller (†61). Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, gibt es schon 1998 Kontakt zwischen den beiden Männern. Keller soll Tschanun dabei helfen, das Leben nach der abgebüssten Freiheitsstrafe zu regeln. Dafür organisiert er dem Killer eine Stelle in seinem Scalo-Verlag an der Zürcher Weinbergstrasse.

Nach erfolgreichen Gesprächen und einem unterzeichneten Arbeitsvertrag kann Tschanun schon wenig später als «Mädchen für alles» beim Verlag anfangen. Er führt Telefonate und erledigt lauter kleine Arbeiten. Beim Verlag ist man zufrieden mit der Arbeit des Noch-Häftlings.

Am dritten Tag taucht Tschanun nicht mehr am Arbeitsplatz auf

Doch schon am dritten Tag erscheint Günther Tschanun nicht mehr am neuen Arbeitsplatz. Der Grund: Der damals zuständige Zürcher Regierungsrat Markus Notter hat dem ganzen Unterfangen einen Riegel vorgeschoben. Aus Respekt vor den Opfern und ihren Hinterbliebenen sei es nicht zu verantworten, dass Tschanun wieder in Zürich arbeiten würde. Offenbar hatte die Strafanstalt Saxerriet den Job-Deal zwischen Keller und Tschanun ohne die Einwilligung der Behörden durchgewinkt.

So viel Rücksicht auf die Opfer wie Notter will Tschanun selber nicht aufbringen. In einem Schreiben an Markus Notter macht er klar: «Ich kann ohne jedes Problem in Zürich arbeiten, weil ich mich mit meiner Tat auseinandergesetzt habe, wie das von mir verlangt wurde. Offenbar vermag das politische Zürich mit dieser Tatsache nicht zu leben.» Am Entscheid des Zürcher Regierungsrats ändert aber auch das nichts mehr. Tschanun ist seine Stelle beim Scalo-Verlag wieder los.

Nach der Entlassung aus der Strafanstalt lebt Tschanun schliesslich unter dem neuen Namen Claudio Trentinaglia im Tessin. Er wohnt in Ronco s. Ascona TI und Losone, macht Yoga-Kurse, hilft den Nachbarn im Garten, arbeitet zwischenzeitlich auch in einer Alphütte. Bis am 25. Februar 2015. Bei einem Velo-Unfall an der Maggia stürzt Tschanun so schwer, dass er noch vor Ort verstirbt. (cat)


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