«Es geht nur mit klaren Verboten»
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Bilder aus dem Inselspital:So sieht es auf der Corona-Station wirklich aus!

Beklemmende Bilder aus dem Inselspital Bern
So sieht es auf der Corona-Station wirklich aus

Aktuelle Aufnahmen aus dem Berner Inselspital zeigen, wie schwer Corona-Patienten leiden müssen. Doch auch das Spitalpersonal ist am Anschlag – die Arbeit ist kaum mehr zu leisten.
Publiziert: 18.12.2020 um 07:45 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2020 um 22:11 Uhr
Fabian Vogt

Ein Schlauch im Bauch, ein weiterer in der Lendenregion. Mehrere im Kopfbereich. Nur einer von vielen Corona-Patienten im Berner Inselspital. Atmen kann er nur noch durch eine Maschine. Links und rechts liegen weitere Menschen. Jedes Bett im Saal ist belegt, jeder Patient an ein Beatmungsgerät angeschlossen.

Es sind beklemmende Bilder, die BLICK aus der Intensivstation der Insel-Gruppe erhalten hat. Sie zeigen, wie es denjenigen geht, die vom Coronavirus richtig schlimm erwischt wurden. Die Betroffenen, die nicht zu den 80 Prozent mit milden Verläufen zählen und die das Spitalpersonal und Intensiv-Equipment an ihre Belastungsgrenzen bringen. Die Insel-Gruppe hat die ausdrückliche Erlaubnis gegeben, Video und Bilder unverpixelt zeigen zu können.

Schutzanzüge bei Aerosol-generierenden Massnahmen

Dass die Fachkräfte nicht wie in anderen Spitälern mit Raumfahrt-ähnlichen Schutzanzügen herumlaufen, liegt an den Regeln der WHO und Swissnoso, dem nationalen Zentrum für Infektionsprävention. Erst bei engem Körperkontakt und vor allem bei sogenannt aerosol-generierenden Massnahmen – beispielsweise einer Lungenspiegelung – kommen zusätzliche Schutzmassnahmen wie Mantel, Handschuhe, Spezialmaske und Brille zum Zug. Bei Arbeitsschritten, die auf dem Video und den Bildern dokumentiert werden, reicht es hingegen, chirurgische Masken zu tragen und die Hände zu desinfizieren.

Berner Inselspital: Ein Corona-Patient muss beatmet werden.
Foto: PETER SCHNEIDER
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Doch auch diese Schutzmassnahmen kosten Zeit. Zeit, welche die Spitalmitarbeiter immer weniger zur Verfügung haben. Während der ersten Welle lagen maximal 34 Patienten gleichzeitig im Inselspital, davon 14 auf der Intensivstation. In der zweiten Welle lag der Höhepunkt bei 115 Covid-Patienten, davon 31 auf der Intensivstation.

Mehr Betten bedeuten nicht gleich mehr Personal

Die Zahlen sind in der ganzen Schweiz ähnlich. Laut offiziellen Statistiken der Armee sind derzeit zwar rund 20 Prozent der Intensivbetten frei. Doch das Bild trügt. Denn zertifizierte Intensivbetten (die bestimmten Qualitätsansprüchen genügen müssen) gibt es in der Schweiz 876. Und diese waren bereits Ende November vollständig belegt, wie die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin mitteilte. Seither hat sich die Situation kaum verbessert – zehn Kantone sagten diese Woche, sie seien «ausgebucht». Dass laut Statistiken noch rund 250 Betten zur Verfügung stehen, liegt daran, dass die Spitäler diese ad hoc bereitstellen, um ihre Patienten irgendwie versorgen zu können. Nur: Mehr Betten bedeutet nicht automatisch mehr Fachkräfte.

Normalerweise besteht auf der Intensivstation ein 1:1-Verhältnis zwischen Patient und Personal, wie die Insel-Gruppe mitteilt. Momentan muss sich eine Pflegefachperson jedoch um vier schwer kranke Personen kümmern. Hinzu kommt, dass die Pflege von beatmeten Patienten sehr aufwendig ist. Der Druck der Beatmungsmaschine muss regelmässig überprüft werden – teilweise jede Viertelstunde. Wenn ein beatmeter Patient gedreht werden muss, kann das bis zu neun Personen in Anspruch nehmen und bis zu eine Stunde dauern. Zudem müssen diese Patienten oft über mehrere Wochen beatmet werden, wodurch die lebensrettenden Geräte belegt sind.

Operationen werden immer weiter nach hinten verschoben

Um irgendwie Platz zu schaffen, sind die Spitäler längst dazu übergegangen, «unnötige» Eingriffe zu verschieben. Doch auch hier klemmt der Korken immer stärker. «Eine Operation, die im Oktober noch einen Monat aufgeschoben werden konnte, wäre jetzt dringlich», sagt Insel-Chef Uwe E. Jocham (58). «Mittlerweile befinden wir uns an der Grenze, auch solch dringliche Eingriffe verschieben zu müssen.» Nur ein Beispiel: Am Zürcher Unispital musste Anfang Dezember ein junger Tumor-Patient nach Hause geschickt werden, obwohl er eine dringende OP nötig hatte. Diesen Montag wurde sie nachgeholt.

Die Belastung ist also enorm und die ohnehin schon langen Arbeitstage werden noch länger. Da verwundert es kaum, dass André Zemp (57), Direktor der Zürcher Stadtspitäler Triemli und Waid, befürchtet, dass sein Personal kündigt: «Weil sie einfach nicht mehr können.»

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