«Sie haben mich ohne jeglichen Beweis verurteilt»
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Christopher S. im März 2022:«Sie haben mich ohne jeglichen Beweis verurteilt»

Er bestreitet noch heute seine Beteiligung an der Brandstiftung
Am Montag muss DJ Christopher S (52) ins Gefängnis

Vom Glanz des Ruhms ist nichts mehr übrig: Der einstige Star-DJ Christopher S ist kaum wiederzuerkennen. Fast zehn Jahre nach dem Brand einer Lagerhalle muss er nun ins Gefängnis. Blick hat ihn zum letzten Interview in Freiheit getroffen.
Publiziert: 12.03.2022 um 00:18 Uhr
Luisa Ita

An Krücken humpelt der schweizweit bekannte Star-DJ Christopher S (52) durch die Gassen der Stadt Bern, in der Hand einen Starbucks-Becher. Es sind die letzten Tage, die der zweifache Familienvater noch in Freiheit geniessen darf.

«Am Montag muss ich ins Gefängnis», erzählt der Musiker. «Vier Jahre habe ich gekriegt, obwohl man mir nichts beweisen konnte. Ich gehe unschuldig ins Gefängnis.»

Explosion in Lagerhalle

Am 1. Mai 2012 gab es in Ostermundigen BE eine heftige Explosion in einer Lagerhalle. Das Gebäude ging in Flammen auf, der Vollbrand richtete einen beträchtlichen Sachschaden an. Zwei Männer wurden zum Teil schwer verletzt, sie wurden wegen des Verdachts auf Brandstiftung verhaftet.

Das letzte Interview in Freiheit: Am Montag muss der einstige Star-DJ Christopher S ins Gefängnis.
Foto: Luisa Ita
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Im Laufe der Ermittlungen geriet ein weiterer Mann ins Visier der Justiz: der bekannte Hitparadenstürmer Christopher S, der damals im Zenit seiner Karriere stand und auch international auftrat. Im Inneren des Gebäudes lagerte nämlich seine riesige Sammlung von etwa 13'000 Platten, die er gemäss Anklage kurz zuvor in dieses Lager gezügelt und für 200'000 Franken versichert hatte.

Die Sicht der Staatsanwaltschaft

Der Vorwurf: unter anderem Anstiftung zur Brandstiftung, versuchter Versicherungsbetrug und Veruntreuung. Der Fussballfan soll die beiden Männer, Cousins aus dem Balkan, beauftragt haben, seine Platten abzufackeln, was diese mittels Brandbeschleuniger getan hätten. «Er überliess die Drecksarbeit anderen. Er blieb im Hintergrund und beschaffte sich ein Alibi mit einem Fussballspiel», so der Gerichtspräsident der ersten Instanz im Jahr 2016.

Ausserdem soll er mehrere Firmen vorsätzlich in den Konkurs getrieben haben, so die damalige Sicht der Anklage. Der Kult-DJ sei in finanzieller Not gewesen und habe auf diese Weise seinen hohen Lebensstandard zu halten versucht. Auch der Erbschaftsstreit mit seiner Mutter, die ihn sogar betrieben hatte, kam beim Prozess aufs Tapet.

«Es kann nur er gewesen sein»

Christopher S stritt von Anfang an ab, etwas mit der brennenden Lagerhalle zu tun zu haben. Doch die beiden Brandstifter, die zuerst unterschiedliche Aussagen machten und etwa den Vermieter der Lagerhalle der Anstiftung bezichtigten, änderten ihre Meinung während des Verfahrens und beschuldigten plötzlich deckungsgleich den DJ.

Aufgrund der Indizien verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland Christopher S im Jahr 2016 als angeblichen Drahtzieher zu sechs Jahren Knast – die höchste Strafe der drei Beschuldigten. «Es kann aber nur er gewesen sein, der den Auftrag gegeben hat», meinte der Gerichtspräsident damals. Der YB-Fan zog das Urteil bis vor Bundesgericht, seine Strafe reduzierte sich so um zwei Jahre.

«Wenn ich die Tat begangen hätte, würde ich dazu stehen»

«Ich verstehe das Urteil nicht. Entweder spricht man mich schuldig, oder es gibt einen Freispruch – aber eine Reduktion der Strafe um zwei Jahre? Das macht für mich keinen Sinn», sagt er zu Blick. «Ich bin kein Unschuldslamm, das ist so. Aber wenn ich diese Tat wirklich begangen hätte, dann würde ich dazu stehen.»

Obwohl das Bundesgerichtsurteil bereits im Jahr 2019 gefallen ist, ist Christopher S bis heute auf freiem Fuss. Er hatte 2015 seine Karriere im Musikbusiness beendet, danach wieder eine Festanstellung im Marketing gefunden. Unterdessen ist er ohne Job.

«Die Corona-Pandemie hat mir in die Karten gespielt, dass ich meine Haftstrafe so lange hinauszögern konnte, und ich musste auch noch an der Hüfte operiert werden», erklärt er. Er sei den Behörden sehr dankbar für die lange Gnadenfrist: «Vor allem wegen meiner Kinder, die sind jetzt schon etwas älter und können das Ganze besser verstehen.»

«Es werden Tränen fliessen»

Um 10 Uhr müsse er am Montag seine Strafe im Regionalgefängnis in Bern antreten, zuvor werde er – wie jeden Morgen – noch in seinem Stammlokal einen Kaffee trinken gehen, zusammen mit seiner Frau. Etwas Spezielles für den Abschied von der Freiheit hat er nicht geplant: «Aber es werden bestimmt Tränen fliessen.»

Der Berner hofft, bald in den offenen Vollzug zu kommen. Ihm schwebt etwa die Anstalt in Witzwil BE vor: «Ich will im Gefängnis arbeiten können und Geld verdienen, damit die Zeit so schnell wie möglich vorbeigeht.» Er habe schon etwas Angst vor der Erfahrung: «Aber da muss ich jetzt durch.»

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