«Das hat uns gröber verletzt»
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Lauwarm-Sänger zum Vorfall:«Das hat uns gröber verletzt»

«Könnten es Überforderungen nennen»
Jetzt erklärt sich die Berner Beiz nach Reggae-Eklat

Ein Konzertabbruch einer hellhäutigen Reggae-Band in Bern sorgt für eine hitzige Diskussion. Die Beiz wird wegen ihrer Entscheidung scharf kritisiert. Nun verteidigen sich die Verantwortlichen.
Publiziert: 27.07.2022 um 14:11 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2022 um 14:29 Uhr

Die Musiker der Berner Band Lauwarm spielen Reggae, tragen Dreadlocks und bunte Kleider aus Senegal und Gambia. Ihre Hautfarbe ist jedoch weiss. Einige der Konzertgäste in der Brasserie Lorraine am 18. Juli sahen darin eine «kulturelle Aneignung» – und beschwerten sich. Die Berner Szenebeiz und die Band entschieden sich daraufhin, das Konzert abzubrechen.

Die Band fühlte sich jedoch vor den Kopf gestossen. «Ich verstehe, dass gewisse Leute für dieses Thema sensibilisiert sind, aber Musik lebt vom Mix der Kulturen», sagte Frontmann Dominik Plumettaz (27) zu Blick. «Seit Jahren verbinden wir in unserem Sound Elemente aus Reggae, Pop und Indie-World und hatten noch nie ein Problem damit.»

Ein-Stern-Bewertungen auf Google

Der Fall wirft hohe Wellen. Nach der ersten Erklärung der Beiz am Montag hagelt es Kritik und schlechte Bewertungen auf Google. Viele Leute haben kein Verständnis für die Entscheidung des Restaurants.

Die Schweizer Musik-Band Lauwarm spielt gerne Reggae-Musik.
Foto: Instagram
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«Wer Cancel Culture & Rassismus gegenüber der weissen Bevölkerung liebt, ist hier bestens aufgehoben. Der Betreiber stellt sicher, dass die Mehrheit der Gäste sich auch bei super Stimmung einer unbequemen Minderheit zu beugen hat. Hier wird nicht der Querulant vor die Tür gesetzt, sondern lieber wird die Band schikaniert und der normale Gast vergrämt», heisst es in einem Kommentar.

«Ein Café in Bern, auf das man verzichten kann. Kein Faible für Kultur und Kunstfreiheit. Man cancelt Musiker, weil sie die ‹falschen› Frisuren (Dreadlocks) tragen und die ‹falsche› Musik machen. So wird Völkerverständigung, kultureller Austausch und eine offene Gesellschaft mit Füssen getreten – ziemlich arm!», schreibt ein anderer Gast.

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Und auch Promis äussern sich auf Twitter zum Fall. Der Komiker Viktor Giacobbo (70) postet ein Foto von sich und der Star-Wars-Figur Yoda. Dazu schreibt er: «Ich fürchte, ich würde aus der Berner Brasserie Lorraine wegen kultureller Aneignung rausgeworfen.» Und der Aargauer Sänger Seven (43) schreibt gleichenorts: «Ich bitte die Personen, die diesen Konzertabbruch gefordert haben, sich zu melden. Wer bist du, was hat dich gestört? Es wäre wichtig, weil vielleicht muss ich aufhören mit Soul und jeder weisse Rapper ebenfalls.»

«Wir könnten es Überforderungen nennen»

Nach dem Gegenwind postet die Brasserie Lorraine am Dienstagabend ein weiteres Statement auf Facebook und krebst zurück. Man sei «überrascht», dass der Montag-Post zum Konzertabbruch für solche Furore gesorgt habe. «Wir behaupten nicht, dass wir mit dem Abbruch des Konzertes das Richtige getan haben. Es jedoch einfach weiterlaufen zu lassen, hat sich auch falsch angefühlt. Wir könnten es auch Überforderung nennen.»

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Die Veranstalter seien nicht der Ansicht, dass «Mitglieder der Band oder ‹weisse› Menschen automatisch Rassisten sind». Es gebe einen Unterschied zwischen bewusst ein Rassist zu sein und unbewusst rassistische Strukturen zu reproduzieren, erklärt die Beiz. Es gehe ihr um «Zwischentöne».

Die Brasserie betont, eine Diskussion zu diesem Thema führen zu wollen. Und zwar am 19. August. Es sollen unter anderem «problematische Aspekte kultureller Aneignung in einer postkolonialen Gesellschaft» und das Schweizerische Asylwesen diskutiert werden. Auch soll angeschaut werden, in welchen Punkten diese Bewegung zu weit gehe und warum sich hellhäutige Personen «dermassen angegriffen» fühlen.

«Bob Marley wird sich im Grab umdrehen»

Doch auch dieser Post stimmt die Community wenig versöhnlich. «Die Brasserie Lorraine hat sich selber ins Knie geschossen!», schreibt einer. In einem anderen Kommentar wird zur jamaikanischen Reggae-Legende Bezug genommen: «Bob Marley wird sich im Grab umdrehen, der Arme. Ihr spinnt doch. Musik sollte verbinden, und zwar alle!»

Ein anderer vergleicht den Vorfall mit dem Schwingfest: «Finde es wichtig, dass die Diskussion geführt wird. Mir geht der Konzertabbruch definitiv zu weit. Man stelle sich vor, das Schwingfest würde abgebrochen, weil ein dunkelhäutiger Schwinger diese Sportart ausüben möchte. Das wäre doch diskriminierend. Er sollte frei entscheiden können. Genauso sollten weisshäutige Personen auch ihren Musikstil frei wählen.»

Anders sieht es dagegen in der Kommentarspalte bei Lauwarm aus. Die Band erhält viel Zuspruch und Unterstützung. «Lasst euch nicht unterkriegen!» oder «Ich persönlich sehe in eurer Form der Auslebung und Interpretation der Reggae-Kultur nicht die so oft zitierte ‹kulturelle Aneignung›, sondern eine kulturelle Wertschätzung», schreiben die Fans. (man)

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