Narrenfreiheit in Bern
Einst der Papst, heute der Stapi

Oft heisst es, die Bärner Fasnacht sei nur ein «Sauffest» ohne Tradition. Quellen aus der Universitätsbibliothek zeigen jedoch: Schon im 16. Jahrhundert teilten die Berner Narren heftig aus.
Publiziert: 19.02.2015 um 14:52 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:28 Uhr
Von Thomas Rickenbach

Das Urteil der Leser der «Berner Zeitung» anno 1986 war hart. Zur fünften Ausgabe der (wiederbelebten) Bärner Fasnacht liess die Zeitung eine repräsentative Umfrage durchführen. Das Fazit: 55 Prozent der Berner waren strikte gegen eine Fasnacht, grösstenteils, weil sie nicht in die Stadt passe. Positiv äusserten sich nur 35 Prozent Gar über 70 Prozent der Befragten sagten, sie würden nicht an einer Fasnacht teilnehmen.

Rund dreissig Jahre später ist die Bärner Fasnacht die drittgrösste der Schweiz, hinter Basel und Luzern. Dennoch hört man in Bern stets die Kritik: Die Fasnacht, erst 1982 ins Leben gerufen, habe keine Tradition, sei nur ein «Sauffest».

Fürs Tragen einer Maske bestraft

Falsch! Sie hat sogar viel Tradition. «Die älteste Nachricht von der Fasnacht in der Stadt Bern stammt aus dem Jahr 1416», schrieb der Berner Theaterwissenschafts-Professor Edmund Stadler 1987 im «Bund». Quellen zeigen, dass die Obrigkeit im 15. Jh. gegen «Verbutzungen» (heute Verkleidungen) einschritt. Dabei hatte sie die Fasnacht im Visier. Wer über zehn Jahre alt war, konnte fürs Tragen einer Maske bestraft werden.

Eine Blütezeit erlebte die Fasnacht im 16. Jahrhundert. 1523 wurden zwei Fasnachtsspiele von Niklaus Manuel aufgeführt, eines findet sich noch heute in der Universitätsbibliothek. Im Stück heisst die Figur des Papstes «Entechristelo» (Antichrist), die Kritik an der Kirche ist hart.

Dann wurde es «fasnachtsfeindlich»

Solche Worte konnte man sich im katholischen Bern nur unter «Narrenfreiheit» leisten. Als die Stadt später reformiert wurde, änderte sich das Klima, wurde «fasnachtsfeindlich».

Heute um 20 Uhr beginnt die 34. Bärner Fasnacht nach neuer Zeitrechnung. Kritisierte Lokalpolitiker sollten durchatmen und sich an Papst «Entechristelo» erinnern.

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