«Rentieren tut es nicht»
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Nachzahlen trotz eigenem Strom:«Rentieren tut es nicht»

Schuld ist ausgerechnet seine Solaranlage
Metzger muss 17'000 Franken für Strom zahlen, den er nicht verbraucht hat

Der Unternehmer und Metzger Claudio Stauffer aus Kernenried muss rund 17’000 Franken an Stromkosten nachzahlen. Der Grund ist kurios: Er hat nicht genug Strom verbraucht. Stauffer wehrt sich.
Publiziert: 27.03.2024 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 27.03.2024 um 08:56 Uhr

Klingt absurd, ist aber so: Metzger und Unternehmer Claudio Stauffer (54) hat Energie gespart und Hunderttausende Franken in eine Solaranlage investiert. Unter dem Strich hat ihn der grüne Strom aber in die roten Zahlen gebracht. Denn plötzlich schuldet er seinem Stromanbieter rund 17'000 Franken – für Strom, den er gar nie bezogen hat! «Ich hätte den ganzen Winter über meinen Garten heizen können, die Stromrechnung wäre gleich hoch gewesen», nervt sich Stauffer. Und: «Ich weigere mich kategorisch, diese Rechnung zu bezahlen!»

Hintergrund: Stauffer führt in dritter Generation eine Metzgerei in Kernenried BE. In den vergangenen Jahren hat er seinen Stromverbrauch stark gesenkt. «Meine Kinder haben mich überzeugt, in nachhaltige Energie zu investieren.»

In seinem Betrieb wird die Abwärme der zahlreichen Kühleinheiten zurückgewonnen. Die Heizwärme kommt aus einem Fernwärmeverbund. Die Energie für seinen Betrieb versucht er, so weit wie möglich selbst zu gewinnen. Dafür hat er quasi jeden geeigneten Quadratmeter seines Betriebs mit Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) ausgestattet. Seinen Stromverbrauch hat er mit diesen Massnahmen um mehr als die Hälfte gesenkt. Kurzum: Stauffer ist ein Unternehmer, wie ihn sich die Schweiz in Zeiten der Energiestrategie 2050 wünscht.

Claudio Stauffer hat Energie gespart und Hunderttausende Franken in eine Solaranlage investiert. Unter dem Strich hat ihn der grüne Strom aber in die roten Zahlen gebracht. Er schuldet seinem Stromanbieter rund 17'000 Franken – für Strom, den er gar nie bezogen hat.
Foto: STEFAN BOHRER
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Strompreis verzehnfacht

Ein Faktor, der zur absurden Rechnung führte: Pech beim Timing. Denn der Metzger baut seine Solaranlage im Herbst, nach Beginn des Ukraine-Krieges, als die Strompreise völlig verrückt spielen. Als Grossverbraucher hat sich Stauffer vor Jahren entschieden, seinen Strom auf dem freien Markt zu beziehen. Dort kann man zwar sparen, aber die Schwankungen sind höher. Stauffer ergeht es wie so manchem Betrieb seit Kriegsbeginn: Seine Stromrechnung vervielfacht sich von knapp 7 Rappen pro Kilowattstunde auf über 60 Rappen.

Er entscheidet sich in der Zwischenzeit, seinen Stromverbrauch zu reduzieren, nimmt einen Kredit auf und investiert nochmals rund 200’000 Franken in erneuerbare Energien. Innert kürzester Zeit senkt er seinen Strombezug um mehr als die Hälfte, von über 100'000 kWh auf unter 50'000 kWh.

Er betont: «Ich habe jahrelang von den Preisen im freien Markt profitiert. Die Preiserhöhung war zwar schmerzhaft, aber wir konnten sie irgendwie auffangen. Nicht zuletzt dank unserer Investitionen.»

Eine Unterschrift mit Folgen

Der Unternehmer geht also davon aus, die Preiserhöhungen mit seinem Solarstrom abschwächen zu können. Und bestätigt die Offerte der Anbieterin Elektra Jegenstorf. «Zu diesem Zeitpunkt war der Strom bereits eingekauft, ohne Vermerk zu Mehr- oder Minderbezügen», sagt er. Einen alternativen Anbieter hat er ohnehin nicht in Aussicht. Und die Elektra gibt ihm gerade einmal 30 Minuten Zeit, die neuen Konditionen zu akzeptieren.

Notgedrungen sagt Stauffer im August 2022 innerhalb der Mini-Frist zu. Verträge seien zu diesem Zeitpunkt aber nicht unterschrieben worden, sagt er. Dennoch kauft die Elektra im Hintergrund den vermeintlich bestellten Strom nach der Zusage ein – zu Mondpreisen. Einen Monat später, im September, meldet sich Stauffer wieder bei der Elektra: Er werde eine grosse PV-Anlage in Betrieb nehmen. Sein Stromverbrauch würde sich damit im Jahr 2023 markant reduzieren, auf unter 50'000 kWh.

Im Oktober erhält er schliesslich den Vertrag, mit deutlich zu hohen Strombezügen. «Da ich die Elektra über meine künftige Stromproduktion informiert hatte, dachte ich, die Zahlen seien inklusive meiner eigenen Stromproduktion zu verstehen», so Stauffer. «Das hätte von den Strommengen her exakt gepasst.» Im Oktober 2022 unterschreibt er schliesslich den Vertrag. Ein Fehler, der ihn teuer zu stehen kommen sollte.

17'000 Franken für nicht verbrauchten Strom

Denn sein Timing ist wieder denkbar schlecht – weil die Strompreise zwischen 2023 und 2024 wieder sinken.

Das Problem: Eine grosse Menge Strom ist bereits für ihn reserviert. Und zwar zu den alten, extrem hohen Preisen. Weil Stauffer weniger verbraucht, verkauft die Elektra diesen Überschuss wieder auf dem Markt. Diesmal allerdings zu Ramsch- statt Mondpreisen. Es entsteht eine Differenz von 17'000 Franken. Und die wird dem Metzger in Rechnung gestellt. Über die Konsequenzen eines Mehr- oder Minderbezugs sei er aber nie informiert worden. «Da hat es mir den Deckel gelupft», wettert Stauffer.

Die Elektra sei rechtzeitig vor der Unterschrift des neuen Vertrags informiert worden, dass er den Stromverbrauch aufgrund der neuen PV-Anlage deutlich senken werde, sagt der Kleinunternehmer. «Ich habe meinen Verbrauch fast bis aufs Kilowatt genau ausgerechnet und diese Zahlen auch so der Elektra weitergegeben.»

«Gängige Praxis»

Auf Blick-Anfrage wehrt sich die Elektra Jegenstorf: «Der Kunde hat uns erst fünf Wochen nach seinem Vertragsabschluss über den Bau seiner PV-Anlage und die damit verbundene Mengenreduktion informiert.» Man habe aber direkt nach seiner Zusage die vereinbarte Strommenge eingekauft. «Auch die kurzen Fristen bei Offerten für Energielieferverträge sind gängige Praxis, insbesondere bei hohen Preisschwankungen.»

Stauffer widerspricht und zeigt sich enttäuscht: «Ich habe die Elektra fünf Wochen nach der Offerte informiert. Von einem Vertrag war zu dieser Zeit keine Rede. Dieser wurde erst im Oktober unterschrieben. Nie hätte ich gedacht, dass mich mein Engagement für Nachhaltigkeit derart teuer zu stehen kommt! Wenn man nach drei Generationen Kundentreue derart abgezockt wird, ist das frustrierend!»


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