Lage auf Intensivstationen spitzt sich zu
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Blick TV in Burgdorf und Genf:Lage auf Intensivstationen spitzt sich zu

Volle Intensivstationen – ein Bericht von der Front
«Wir sind emotional am Anschlag»

Welle um Welle bricht das tückische Coronavirus über die Schweiz herein und bringt das Pflegepersonal immer näher ans Ende der Kräfte. Mediziner aus der ganzen Schweiz rufen erneut dazu auf, sich impfen zu lassen und so den Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern.
Publiziert: 03.12.2021 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2021 um 11:17 Uhr
Luisa Ita, Tobias Ochsenbein und Ralph Donghi

Die erste Welle überrollte das Genfer Universitätsspital im März 2020 wie ein Tsunami. «Wir haben von der ersten bis zur dritten Welle insgesamt rund 5000 Covid-Patienten behandelt. Das sind etwa so viele, wie die Unispitäler Basel, Bern und Zürich zusammen hatten», sagt Martin Tramèr (62), Chefarzt Anästhesie und Departementsvorsteher Akutmedizin.

Unterdessen sei man «nicht physisch, aber emotional am Anschlag», meint Tramèr am Donnerstag zu Blick. Die aktuelle Welle schaukle sich in der Westschweiz zwar noch immer langsam hoch, doch die Lage sei unberechenbar.

«Wir haben insgesamt etwa 90 Covid-Patienten im Haus. Rund zwei Drittel sind auf der normalen Station, das verbleibende Drittel verteilt sich etwa je zur Hälfte auf die Intermediate-Care- und die Intensivpflegestation», erläutert er. Dabei kümmere sich die Intermediate-Care-Station um die Patienten, die schwer krank seien und dadurch eine engmaschigere Überwachung bräuchten, jedoch im Gegensatz zu Intensivpatienten noch selbständig atmen könnten.

Petra Salomon ist Leitende Ärztin auf der Intensivpflegestation (IPS) im Spital Emmental in Burgdorf BE.
Foto: Luisa Ita
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Wird die Qualität der Behandlungen bald leiden?

Unterdessen würden mehr geimpfte Personen mit Corona im Genfer Unispital landen. Doch diese lägen meist nur auf der normalen Akutstation und nicht auf der IPS: «Das sind eher ältere Menschen, die den Booster noch nicht bekommen haben und die ohne Impfung sehr wahrscheinlich beatmet werden müssten.» Martin Tramèr ruft daher dazu auf, sich unbedingt impfen zu lassen und sich an die geltenden Corona-Massnahmen zu halten.

Das Unispital Genf schaltet nun in den Krisenmodus, um die fünfte Welle bewältigen zu können. Die Chirurgen würden bei jeder Operation im Unispital Genf genau abwägen müssen, ob man den Eingriff nicht doch noch vertagen könnte, damit man genug freie Betten für Covid-Patienten auf der Pflegestation habe. «Wir können schon noch weiter Betten aufstocken, aber die limitierte Kraft ist das gut ausgebildete Personal. Irgendwann leidet die Qualität der Behandlung, und dies wollen wir auf jeden Fall verhindern.»

Intensivstationen sind zu 82 Prozent belegt

Im Kanton Schwyz gibt es kein freies Intensivbett mehr. Alle 11 Betten im Kanton sind belegt, 4 davon mit Covid-Patienten. Nicht viel besser sieht es im Wallis aus, wo am Mittwoch von den 21 IPS-Betten noch eines frei war. Oder in St. Gallen, wo noch 3 Betten frei sind – von insgesamt 40.

Gesamtschweizerisch sind 82 Prozent der Intensivstationen belegt, knapp 27 Prozent davon mit Covid-Patienten. Ihr Anteil hat sich in drei Wochen verdoppelt.

Es sind besonders alte Menschen, die wegen Corona ins Spital eingeliefert werden. In der letzten Woche waren von 524 hospitalisierten Covid-Patienten 163 über 80 Jahre alt, 119 zwischen 70 und 80. Doch immerhin 204, das heisst knapp ein Drittel, waren zwischen 40 und 60.

Ungeimpfte müssen viermal so häufig ins Spital

Ungeimpfte haben dabei nach wie vor ein viel grösseres Risiko als Geimpfte, im Spital zu landen. Betrachtet man die seit Anfang Jahr Hospitalisierten, so waren 52 Prozent ungeimpft und 11 Prozent geimpft – beim Rest war der Impfstatus unbekannt. Was sich aber auch zeigt: Seit einiger Zeit steigt die Zahl der geimpften Senioren, die wegen Corona im Spital behandelt werden müssen, leicht an. Mussten Anfang Oktober 0,03 Prozent der über 80-Jährigen trotz Impfung eingewiesen werden, sind es derzeit 0,17 Prozent.

Es sind immer noch wenige, aber der Trend bestätigt, wovor Experten warnen: nämlich dass gerade bei sehr alten Menschen die Wirkung der Corona-Impfung stark nachlässt. Umso wichtiger ist für sie die Auffrischungsimpfung.

Im Kanton Schwyz gibt es kein freies Intensivbett mehr. Alle 11 Betten im Kanton sind belegt, 4 davon mit Covid-Patienten. Nicht viel besser sieht es im Wallis aus, wo am Mittwoch von den 21 IPS-Betten noch eines frei war. Oder in St. Gallen, wo noch 3 Betten frei sind – von insgesamt 40.

Gesamtschweizerisch sind 82 Prozent der Intensivstationen belegt, knapp 27 Prozent davon mit Covid-Patienten. Ihr Anteil hat sich in drei Wochen verdoppelt.

Es sind besonders alte Menschen, die wegen Corona ins Spital eingeliefert werden. In der letzten Woche waren von 524 hospitalisierten Covid-Patienten 163 über 80 Jahre alt, 119 zwischen 70 und 80. Doch immerhin 204, das heisst knapp ein Drittel, waren zwischen 40 und 60.

Ungeimpfte müssen viermal so häufig ins Spital

Ungeimpfte haben dabei nach wie vor ein viel grösseres Risiko als Geimpfte, im Spital zu landen. Betrachtet man die seit Anfang Jahr Hospitalisierten, so waren 52 Prozent ungeimpft und 11 Prozent geimpft – beim Rest war der Impfstatus unbekannt. Was sich aber auch zeigt: Seit einiger Zeit steigt die Zahl der geimpften Senioren, die wegen Corona im Spital behandelt werden müssen, leicht an. Mussten Anfang Oktober 0,03 Prozent der über 80-Jährigen trotz Impfung eingewiesen werden, sind es derzeit 0,17 Prozent.

Es sind immer noch wenige, aber der Trend bestätigt, wovor Experten warnen: nämlich dass gerade bei sehr alten Menschen die Wirkung der Corona-Impfung stark nachlässt. Umso wichtiger ist für sie die Auffrischungsimpfung.

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20 Kündigungen im Kantonsspital Aarau

Auch vom Kantonsspital Aarau (KSA) heisst es, die obersten Ziele seien, die Patientenversorgung maximal sicherzustellen und den Schutz der Mitarbeitenden zu gewährleisten. «Die aktuelle Lage zeigt sich jedoch so angespannt wie noch nie», sagt Boris Rauscher, Mediensprecher des KSA. Das Operationsprogramm könne man darum nicht mehr aufrechterhalten, Eingriffe würden verschoben. Rund 20 Pflegefachkräfte hätten in den vergangenen Wochen aufgrund der schwierigen Situation gekündigt, viele von ihnen würden gar die Branche wechseln.

Petra Salomon (50), Leitende Ärztin auf der Intensivpflegestation (IPS) im Spital Emmental in Burgdorf BE, sagt beim Besuch von Blick: «Wir sind ausgelastet. Die Lage ist wie immer während der Wintersaison: intensiv.»

Derzeit liege ein Corona-Patient auf der IPS in Burgdorf, sagt Salomon. Die Zahl der Corona-Patienten liege im Durchschnitt zwischen einem und drei. Eines hätten sie alle gemeinsam, wenn sie im Spital Emmental auf der IPS landen: «Die meisten von ihnen sind nicht geimpft und in der Regel 45 bis 78 Jahre alt», sagt die Ärztin. Salomon empfiehlt darum ausdrücklich: «Impfen, boostern und die Massnahmen einhalten.»

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«Wir sind müde, mögen nicht mehr»

Die Pflegenden klagten schon vor Corona, sie seien am Anschlag. In der Pandemie mussten sie noch mehr leisten. «Wir sind müde, mögen nicht mehr», sagt Petra Salomon. Trotzdem staune sie immer wieder über die Kraft und Leidenschaft der Mitarbeitenden: «Die Leute sind jeden Tag engagiert dabei und machen ihren Job ausgezeichnet.»

Sandro Stöckli (56), Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen, wiederum ist sauer – und wie. «Total frustrierend für Ärzt:innen und Pflegende und total belastend für Patient:innen und Angehörige», schreibt er auf dem Portal LinkedIn. Das Spital habe bereits einige dringliche Krebsoperationen verschieben müssen, weil die Intensivstationen mit ungeimpften Covid-Patienten gefüllt seien.

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IPS-Pflegende im Dauerstress:Wir haben noch nie so viele Menschen sterben sehen

Verband warnt vor Kollaps des Gesundheitssystems

Auch der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen fürchtet einen Kollaps des Gesundheitssystems und fordert aufgrund der angespannten Lage einen Bonus für Pflegekräfte. Der Verband ruft die Bevölkerung ausserdem dazu auf, sich etwa bei privaten Treffen einzuschränken. Die inständige Warnung: «Wenn nicht schnell massive und wirksame Massnahmen beschlossen werden, werden Ärztinnen und Ärzte Triage-Entscheidungen fällen müssen. Das bedeutet: Menschen, die einen Intensivpflegeplatz brauchen, werden diesen nicht erhalten und (möglicherweise) sterben.»

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