BLICK im Katastrophengebiet Bondo GR
Kleine Schritte zurück ins Leben

Seit dem Katastrophen-Bergsturz von Bondo GR ist fast ein Monat vergangen. Ein Besuch vor Ort zeigt: Bondo ist noch weit von der Normalität entfernt.
Publiziert: 05.10.2017 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:59 Uhr
Anian Heierli

Der Bergsturz hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Seit den massiven Murgängen am Piz Cengalo im Bündner Bergell ist ein Monat vergangen (BLICK berichtete). Doch das Ausmass der Katastrophe in Bondo GR und seinen Ortsteilen Spino und Sottoponte ist nach wie vor gross. Reto Müller (75) trägt einen Sack mit Habseligkeiten aus seinem Haus. Er weiss nicht, ob er je wieder einziehen kann. «Das entscheiden die Statiker», sagt er bestürzt. «Doch zuerst müssen wir den Schlamm ausräumen.»

Zwar dürfen Einwohner aus dem alten Dorfkern am 14. November zurück in ihre Häuser, hiess es gestern an einer Infoveranstaltung der Behörden. Doch Müller ist keiner von ihnen. Der Dreck reicht noch immer bis fast zu seinem Balkon im ersten Stock: «Schlimm das Ganze. 2013 verlangte ich bei der Gemeinde eine Schutzmauer», so der Rentner. Doch sein Antrag wurde abgelehnt: «Man sagte damals, die Bauzone sei zu klein.» Er ist sicher: «Heute würde man anders entscheiden.» Zu den Statik-Problemen kommt: In den nächsten Wochen und Monaten könnte wieder Fels Richtung Tal stürzen.

«Das Unglück geht mir nahe. Auch Soldaten sind Menschen»

Armee und Zivilschutz räumen seit Montag in Bondo auf. Soldat Erich Gaus (20) schaufelt und schwitzt: «Wir befreien die Häuser vom Dreck. Alles von Hand», sagt er. Der Landwirt aus Schaffhausen ist sichtlich stolz: «Hier machen wir wenigstens etwas Sinnvolles.» Immer wieder tragen er und seine Kollegen verdreckte Möbel aus einem Gebäude. Das meiste ist kaputt. Trotzdem wird alles mit Sorgfalt behandelt.

Sein Kommandant Oberst Daniel Reimann (45) überwacht die Arbeiten. Auch er freut sich, helfen zu können: «Das Unglück geht mir nahe. Auch Soldaten sind Menschen.» Am Abend nach der Arbeit sei das Leid der Bevölkerung oft Thema unter den Helfern. Aktuell sind 16 Armeespezialisten der Katastrophenhilfe im Einsatz, bis mindestens zum 3. November.

Anwohner Reto Müller (75): «Ich bin dankbar für die Hilfe von Armee und Zivilschutz.»
Foto: Marcel Sauder
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Anwohner kehren zurück, um Katze zu füttern

Auch die 19 Zivilschützer vor Ort machen sich Gedanken. Ihr Zugführer Silvan Janka (29) fragt sich oft: «Was wäre, wenn so ein Bergsturz einmal mich trifft?» Immerhin lebt er in Obersaxen GR auch mitten in den Alpen. «Das Thema beschäftigt mich gerade sehr», sagt er. Trotzdem ist der Mechaniker gerne hier: «Der Zivilschutz ist eine willkommene Abwechslung zum Arbeitsalltag.»

Seine Kollegen und er begleiten jeweils die Einwohner, wenn sie für eine Stunde in die Sperrzone gehen. In diesen Momenten kehrt wieder etwas Leben in das ausgestorbene Bondo ein. «Manche füttern regelmässig ihre Katze», so Janka. «Andere mähen ihren Rasen, machen den Garten oder lesen Kastanien.» Dabei helfen ihnen die Zivilschützer. Schnell wird klar: Die Einheimischen freuen sich über die motivierten, jungen Männer.

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