Linksextreme hetzen gegen Asyl-Betreuerin
«Sie nahmen in Kauf, dass meiner Familie etwas passiert»

Eine Mitarbeiterin des Staatssekretariat für Migration wird seit Monaten bedroht. Nun sollen Unbekannte ihre Bremsleitungen manipuliert haben. Das Amt hat darum die Bundesanwaltschaft eingeschaltet.
Publiziert: 27.04.2021 um 10:49 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2021 um 10:55 Uhr
Céline Trachsel und Pascal Tischhauser

Eine 38-jährige Lokalpolitikerin und Mitarbeiterin im Bundesasylzentrum (BAZ) in Basel lebt derzeit in Angst. Um sich selber, aber auch um ihre Familie. Seit Monaten läuft eine Hetzkampagne gegen sie. Auf einer linksradikalen Webseite wird zu Aktionen gegen sie aufgerufen – weil sie angeblich die Leiterin des Zentrums sei. Was nicht stimmt: Es handelt sich um eine Mitarbeiterin ohne Führungsfunktion.

Doch die Frau wird mit Drohanrufen und Mails eingedeckt, in ihrer Nachbarschaft werden diskreditierende Flyer verteilt. In derselben Zeit verletzten Unbekannte die Katze der Familie beinahe tödlich. Unfassbar: Dem Tier wurde bei lebendigem Leib teilweise das Fell abgezogen. «Der Tierarzt konnte die Katze gerade noch retten», sagt Reto Kormann, Mediensprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM). Drei Mal wird das Büsi operiert.

Leuchte warnte vor Problem mit den Bremsen

Es blieb nicht dabei: Unbekannte zerkratzen das Auto der Frau mit «Fight SEM». Jetzt aber haben die Angriffe eine neue Eskalationsstufe erreicht: Wie das SRF-«Regionaljournal Basel Baselland» berichtet, manipulierten Unbekannte beim Familienauto die Bremsleitungen. Blick-Recherchen zeigen, dass ein Täter beobachtet wurde, wie er sich am Auto zu schaffen machte – die Sabotage konnte zum Glück rechtzeitig entdeckt werden.

Linksextreme kämpfen seit Jahren gegen das Bässlergut. Zuerst gegen den Neubau des Gefängnisses, danach gegen angebliche Gewalt an Asylsuchende.
Foto: barrikade.info
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Eine andere Mitarbeiterin des SEM bemerkte im selben Zeitraum eine blinkende Kontrollleuchte und brachte ihr Auto in die Werkstatt. Dort sagte ihr der Garagist, dass das Entlüftungsventil der Bremsen so manipuliert wurde, dass sie bald versagt hätten. Die SEM-Mitarbeiterin schöpfte Verdacht, weil sie vom Familienauto ihrer Arbeitskollegin gehört hatte.

Werden Asylbewerber verprügelt?

Die gefährlichen Attacken dürften auf Linksradikale zurückzuführen sein. Auf einschlägigen Internetseiten wird behauptet, dass im Bundesasylzentrum Bässlergut, wo die Bedrohte arbeitet, Asylbewerber von Sicherheitsmitarbeitern verprügelt würden.

Konstruiert wird dieser Vorwurf wegen eines Berichts der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter. Dort ist an keiner Stelle von Prügeleien die Rede, es sind lediglich Vorfälle aus verschiedenen Zentren dokumentiert. Zum Beispiel: «Das Sicherheitspersonal intervenierte in den besuchten BAZ mehrmals mit körperlichen Fixierungen, Pfeffergel sowie Verwendung des ‹Besinnungsraumes›.» Es laufen Strafverfahren gegen Sicherheitsmitarbeiter von verschiedenen Bundesasylzentren.

Erst mit Kandidatur begannen die Anschläge

Die Betroffene ist in der SP engagiert. Nach einer Kandidatur bei den Kantonsratswahlen begannen die Drohmails und Droh-Anrufe. Alle grossen Parteien aus dem Bezirk drücken nun ihre Solidarität aus. In einer Stellungnahme schreiben sie: «Was in keiner Weise toleriert werden darf, sind Angriffe auf die physische und psychische Integrität.»

Gegenüber Blick sagt die Betroffene, dass sie sich aus Sorge um ihre Familie nicht äussern wolle. Die Vorfälle hätten eine Dimension angenommen, die Angst mache. Sie will aber klarmachen: «Es wurde sogar in Kauf genommen, dass meiner Familie etwas passiert.»

Unterdessen wurden für ihre Sicherheit Vorkehrungen getroffen. Die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass sie ein Strafverfahren gegen unbekannt wegen Verdacht auf Sachbeschädigung, Nötigung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Tierquälerei führt.

Politisch motivierte Gewalttaten

In den vergangenen Jahren sei es auch wiederholt zu gewalttätigen Aktionen und Anschlägen gegen Gebäude des SEM gekommen. Anonyme Kreise bezeichnen die schweizerische Asylpolitik als «unmenschlich» und sprechen bei den Bundesasylzentren von «Asyllagern», teilt das Amt mit.

Die Basler Staatsanwaltschaft führt derzeit rund 70 Verfahren wegen Sachbeschädigungen, Brandstiftungen, Nötigung und wiederholter öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit dem Bau des Gefängnisses Bässlergut.

Bei Einbrüchen und Vandalenakten seien unter anderem in den Bundesasylzentren in Giffers FR und Kappelen BE Sachschäden von rund zwei Millionen Franken verursacht worden. Auch Einrichtungen von privaten Unternehmen, die im Auftrag des SEM arbeiten, seien immer wieder «Ziel politisch motivierter Gewalttaten gewesen». Das SEM teilt mit, eine Reihe von nicht näher spezifizerter Massnahmen ergriffen zu haben, um die Einrichtungen vor Schäden zu schützen.

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