IZRS-Vertreter nach seiner Verurteilung
Er wollte «Junge ansprechen, sich von möglichen Sympathien für den IS loszusagen»

Drei Vorstandsmitglieder des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) standen wegen des Vorwurfs der unerlaubter Propaganda für Al-Kaida und verwandte Organisationen vor Gericht. Jetzt hat das Bundesstrafgericht zwei frei- und einen schuldiggesprochen.
Publiziert: 15.06.2018 um 08:04 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:15 Uhr

Wegen des Vorwurfs der unerlaubten Terror-Propaganda für Al-Kaida und verwandte Organisationen standen drei Vorstandsmitglieder des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) in Bellinzona TI vor Gericht.

Die Bundesanwaltschaft (BA) forderte beim Prozess Mitte Mai für die Angeklagten Naim Cherni, Qaasim Illi und Nicolas Blancho bedingte Freiheitsstrafen von 24 Monaten. Deren Verteidiger plädierten auf Freispruch.

Naim Cherni, Qaasim Illi und Nicolas Blancho vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona.
Foto: Keystone
1/5

20 Monate bedingt für IZRS-Mitglied Naim Cherni

Jetzt hat das Bundesstrafgericht ihr Urteil gefällt und bekanntgegeben. Cherni wird schuldiggesprochen. Er bekommt 20 Monate Freiheitsstrafe bedingt mit zwei Jahren Bewährung. Zudem muss er die Verfahrenskosten tragen.

Illi und Blancho werden freigesprochen. Illi bekommt zudem eine Entschädigung über 2000 Franken zugesprochen. Eine Genugtuung hingegen bekommen Illi und Blancho beide nicht. Die Eröffnung der Urteile wurde anfänglich von Zwischenrufen aus dem Publikum unterbrochen.

Cherni sagte nach dem Urteil gegenüber Keystone-SDA-Video, die Motivation hinter dem Film sei vom Gericht völlig ausser Acht gelassen worden. Es sei darin darum gegangen, die Jungen anzusprechen, sich von möglichen Sympathien für den IS loszusagen. Das sei keine Propaganda.

Weiter sagte Cherni, das Urteil verunmögliche faktisch jedem Journalisten ohne vorgängige eingehende Analyse ein Interview in und über Syrien, «weil dort prinzipiell jeder mit Al-Kaida zu tun haben könnte».

«Dokumentarfilm» als Grundlage für Anklage

Grundlage der Anklage bildeten zwei von Naim Cherni hergestellte Videos. Bei einem der Filme handelt es sich um ein Interview mit Abdallah Al-Muhaysini. Der andere ist ein «Dokumentarfilm». Das Material stammt von einer Syrien-Reise Chernis im Herbst 2015.

Der interviewte Al-Muhaysini ist gemäss BA ein Mann aus der Führungsriege der Al-Kaida. Das Bundesstrafgericht hielt fest, dass sich Cherni in diesem Video nicht von den Äusserungen Al-Muhaysinis distanziert habe. Vielmehr gehe aus den Aufnahmen hervor, dass er den Gesprächspartner als Freund und religiöse Führungsfigur betrachte.

Die Vorstandsmitglieder des IZRS vertreten hingegen die Auffassung, Al-Muhaysini sei ein Brückenbauer und Mediator zwischen den dschihadistischen Gruppierungen.

Er gehöre nicht der Al-Kaida oder einer anderen Gruppierung an. Ansonsten wäre er von den verschiedenen Fraktionen im syrischen Bürgerkrieg nicht als Vermittler anerkannt worden.

Mitglied von Al-Kaida?

Die BA versuchte im Prozess vor dem Bundesstrafgericht mit Beispielen aus Internet-Videos aufzuzeigen, welche Rolle Al-Muhaysini im Krieg in Syrien hat und hatte. Bis zum Strafverfahren gegen den IZRS war er in der Schweiz weitgehend unbekannt.

Von den USA wurde er gemäss BA nach der Anklageerhebung als ein wichtiger Al-Nusra-Führer eingestuft. Die Al-Nusra ist der syrische Ableger der Al-Kaida. Bis heute ist er hingegen nicht auf der SECO-Sanktionsliste aufgeführt.

Damit eine Verurteilung der drei IZRS-Mitglieder möglich ist, muss nachgewiesen werden, dass Al-Muhaysini ein Mitglied der Al-Kaida oder einer verwandten Organisation ist. Ansonsten werden die den Angeklagten vorgeworfenen Taten nicht vom Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen Al-Kaida und Islamischer Staat sowie verwandter Organisationen erfasst.

Angeklagte beantworteten keine Fragen

Die zweite zentrale Frage in diesem Fall war, ob es sich bei den von Cherni hergestellten Videos tatsächlich um Propaganda handelt oder um journalistische Werke.

Die Rolle von Qaasim Illi und Nicolas Blancho bestand vor allem darin, die Videos zu bewerben. Illi segnete gemäss BA die Veröffentlichung ab.

Nicht geäussert hat sich die vorsitzende Richterin bei der Urteilsbegründung über die Frage, ob die Filme von Naim Cherni als journalistische Werke betrachtet werden müssen und damit unter die Medienfreiheit sowie Meinungsfreiheit fallen.

Die Angeklagten bezeichneten das gegen sie geführte Strafverfahren als politisch motiviert. Aus diesem Grund beantworteten sie während des Prozesses keine Fragen. Die drei Männer verwiesen auf einen Bericht, den der IZRS zu den Vorwürfen der BA im April verfasst und zu den Akten gegeben hatte. (SDA/rad)

Fehler gefunden? Jetzt melden