«Die Pflege wird immer spezialisierter»
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Curaviva-Experte Markus Leser:«Die Pflege wird immer spezialisierter»

Curaviva-Experte Markus Leser (63) über den Trend zu dezentralen Wohnformen für Senioren
Klassische Altersheime sterben aus

Senioren möchten am liebsten bis ans Lebensende in ihrem Daheim bleiben, der Umzug ins Heim wird deshalb meistens hinausgezögert. Die traditionellen Altersheime sind laut einem Experten bereits Geschichte, auch Pflegeheime werden sich in Zukunft wandeln.
Publiziert: 06.11.2021 um 12:05 Uhr
Luisa Ita

Im Altersheim Feldhof in Oberriet SG kam diese Woche aus: 41 Bewohnerinnen und Bewohner sowie 25 Mitarbeitende haben sich mit dem Coronavirus angesteckt. Fünf Personen sind gestorben. Das Altersheim bleibt für Besuchende bis auf weiteres geschlossen. Gleiches Bild in Muttenz BL: Hier meldeten die Behörden 41 Corona-Infektionen und einen Todesfall. Auch dieses Heim ist vorläufig für Angehörige geschlossen.

Alters- und Pflegeheime rücken während der Pandemie wieder vermehrt in die Öffentlichkeit – und tragen wegen des Virus einen Imageschaden davon. Viele Menschen fragen sich: Wie gut können die Heime ihre Bewohnerinnen und Bewohner schützen? Gleichzeitig wurden die strengen Massnahmen mit Besuchsverboten stark kritisiert. Diese setzen auch den Bewohnenden zu. Sie haben Angst, im Heim zu vereinsamen.

Leere Betten wegen Corona

Aufgrund dieser Angst würden viele ältere Menschen den Heimeintritt hinauszögern, sagt Markus Leser (63), Leiter Fachbereich Alter beim Branchenverband der Alters- und Pflegeinstitution Curaviva Schweiz. Zudem hätte das Virus manche Institutionen so stark getroffen, dass diese nach den vielen Todesfällen gar mit leeren Betten zu kämpfen gehabt hätten.

«Klassische Altersheime gibt es heute schon nicht mehr», erklärt Markus Leser (63), Leiter Fachbereich Alter beim Branchenverband der Alters- und Pflegeinstitutionen, Curaviva Schweiz.
Foto: Luisa Ita
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«Als ich bei Curaviva vor etwa 20 Jahren angefangen habe, gab es noch Wartelisten für ein Heim. Das gibt es mittlerweile fast nirgends mehr», so der Experte. Das Wohnen im Alter entwickle sich stetig weiter, auch die Ansprüche der Senioren würden sich laufend ändern: «Wenn man die Entwicklung von 1900 bis heute anschaut, dann sieht man, dass sich die Bedürfnisse etwa alle 30 Jahre ändern. Ich als Babyboomer habe andere Anforderungen als meine Grossmutter, die 1911 geboren worden ist. Etwa ein Vierbettzimmer, wie man es früher noch kannte, kommt für eine Person meiner Generation wohl kaum mehr in Frage.»

Sowieso sagt Leser: «Klassische Altersheime gibt es darum heute schon nicht mehr. Was wir in der Umgangssprache noch Altersheim nennen, ist eigentlich das Pflegeheim.» Zudem seien die Personen dort immer älter: «Menschen kommen durchschnittlich erst mit 86 oder 87 Jahren ins Heim. Nicht selten gibt es auch über 100-Jährige, die noch in einer Institution leben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sinkt durch den späteren Eintritt jedoch, sie liegt heute bei knapp zweieinhalb Jahren.»

Nach der Studenten-WG kommt die Alters-WG!

Doch wie soll das neue Wohnen im Alter aussehen? «Wir gehen davon aus, dass es sehr viel dezentraler organisiert sein wird», so Leser. Die riesigen Bauten, die einem Spital ähneln, würden wohl nach und nach verschwinden. «Wir nehmen an, dass das Wohnen im Alter künftig mehr in den Sozialraum eingebettet sein wird – also beispielsweise eine Hausgemeinschaft, bei der man sich ein Haus teilt, oder eine Alters- und Pflege-WG in einem Wohnquartier. Aktuell ist dies aber noch eher ein Nischenprodukt.»

Leser ist überzeugt: In ein paar Jahren könne mit solchen modernen Wohnformen der Übertritt in eine spitalähnliche Pflegeinstitution wahrscheinlich noch viel länger hinausgezögert werden.

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