Das Atomkraftwerk lässt ehemalige Mitarbeiter für Reisli blechen, weil sie sich für ihr Recht einsetzen
AKW Gösgen rächt sich an seinen Rentnern

Die Rentner des AKW Gösgen wehrten sich vor Gericht gegen die Kürzung von Renten-Zulagen. Nun schlagen die Kraftwerk-Verantwortlichen ausserhalb des Gerichtssaals zurück. Und stellen den aufmüpfigen Senioren den jährlichen Firmenausflug in Rechnung.
Publiziert: 24.08.2023 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2023 um 13:38 Uhr
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Michael SahliReporter News

Das Kernkraftwerk Gösgen geht gegen seine pensionierten Angestellten vor – und zieht dabei alle Register. Hintergrund ist eine rechtliche Auseinandersetzung, die Blick Anfang Juli publik machte: Das Kraftwerk und dessen Hauptaktionärin Alpiq kürzten Hunderten pensionierten Angestellten die Teuerungszulagen zu ihren Renten. Betroffene Senioren mussten drei- oder vierstellige Einbussen pro Monat hinnehmen. Zweihundert Pensionäre haben sich zusammengetan, um sich vor Gericht zu wehren. Und sie konnten vor einigen Monaten einen ersten Erfolg gegen den ehemaligen Arbeitgeber verbuchen! Das Richteramt Olten-Gösgen gab einem Senior in erster Instanz recht und verdonnerte das Kraftwerk zur Nachzahlung.

Das wollen die Kraftwerk-Verantwortlichen offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen. Sie bekämpfen die aufmüpfigen Rentner, auch ausserhalb des Gerichtssaals. Neustes Konfliktgebiet: der jährliche Pensionierten-Ausflug. Jedes Jahr organisiert die Pensionierten-Vereinigung des Kraftwerks ein Reisli. Dieses Jahr geht es zum Brienzer Rothorn, wie der Einladung zu entnehmen ist.

Wehren sich gegen die Kürzung ihres Renten-Zuschläge: René Müller (74), Kurt Hagmann (90), Marianne Woodtli (80) und Christian Tännler (79) (v.l.).
Foto: Thomas Meier
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«Es ist doch eine Frechheit»

Doch bei den Senioren sorgt der Rothorn-Trip für rote Köpfe. Denn im Schreiben heisst es: «Pensionierte, die an der Klage bezüglich der gestrichenen Teuerungszulage beteiligt sind, müssen die Reisekosten in Höhe von 185 Franken selber bezahlen.» Das Kraftwerk werde den Betroffenen nach Anmeldeschluss eine Rechnung zustellen. Konkret: Wer sich gegen die Kürzungen bei seinen Renten-Zulagen wehrt, wird vor dem Senioren-Ausflug zur Kasse gebeten. Wer die Kürzung schluckt, darf gratis auf den Berg.

Die Senioren empfinden dieses Vorgehen als Mobbing: «Es ist doch eine Frechheit», sagt Kurt Hagmann (90), einer der klagenden Rentner. «Man kann doch altgediente Angestellte nicht so behandeln, nur weil sie legal für ihr Recht kämpfen. Laut dem Richter sind wir ja sogar im Recht!» Zwar ist der 90-Jährige vom aktuellen Konflikt um den Ausflug nicht direkt betroffen, da er einer anderen Pensionierten-Vereinigung angehört. Aber: Das Verhalten der KKW-Verantwortlichen sei nicht akzeptabel, findet er.

Diese Einschätzung teilt man auch bei der betroffenen Pensionierten-Vereinigung. «Das ist unangenehm für alle und alles andere als fair», heisst es dort am Telefon. Und: «Müssen wir diejenigen, die nicht vorab bezahlt haben, rausschmeissen?» Seinen Namen will der Verantwortliche der Pensionierten-Vereinigung nicht in der Zeitung lesen. Er hoffe auf eine gütliche Einigung mit dem Kraftwerk.

Kraftwerk-Verantwortliche krebsen zurück

Von Blick mit dem fragwürdigen Vorgehen konfrontiert, fühlen sich die KKW-Chefs dann doch nicht mehr so wohl mit der Strafaktion gegen die Rentner. «Dieser Entscheid hat nur eine Minderheit betroffen und war nicht opportun. Das KKG wird das anpassen», heisst es jetzt von der Pressestelle kleinlaut. Der Entscheid, dass «an der Klage beteiligte Personen die Ausflugskosten der Pensionierten-Vereinigung selbst tragen müssen», sei bereits im Jahr 2021 gefallen.

Wie es konkret weitergeht – und was das für den Ausflug aufs Brienzer Rothorn bedeutet – will man bei der KKW-Pressestelle auf Nachfrage nicht konkretisieren. Nur so viel: «Um eine tragfähige Lösung für die nächsten Jahre zu finden, wird das KKG das Gespräch mit der Pensionierten-Vereinigung suchen.»

Auch juristisch ist der Streit um die Teuerungszulagen wohl noch lange nicht ausgestanden: Nach der erstinstanzlichen Niederlage haben Kraftwerk und Alpiq angekündigt, den Fall vor die nächste Instanz zu ziehen.


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