Der wundersame Wandel von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga
Von der Skeptikerin zum Impf-Turbo

Simonetta Sommaruga machte als oberste Konsumentenschützerin Stimmung gegen das Impfen. Jetzt wartet sie voller Hoffnung auf ein Covid-19-Vakzin – auch für sich selbst.
Publiziert: 22.11.2020 um 11:11 Uhr
|
Aktualisiert: 22.11.2020 um 11:24 Uhr
Thomas Schlittler

Biontech, Pfizer, Moderna: Mehrere Pharmakonzerne weckten dieser Tage die Hoffnung, demnächst einen wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 liefern zu können.

Der Bund hat alles da­rangesetzt, der Eidgenossenschaft genügend Impf­dosen zu sichern, und arbeitet bereits an einer Strategie zur Verteilung; 60 bis 70 Prozent der Wohnbe­völkerung sollen geimpft werden können, so das Ziel des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Bloss stehen die Schweizer der Immunisierung traditionell skeptischer gegenüber als Bürger anderer ­Länder. Dass die Entwicklung der Präparate im Rekordtempo erfolgte und die Zulassung ebenfalls beschleunigt werden soll, macht auch Menschen vorsichtig, die dem Impfen sonst offen gegenüberstehen.

Es ist also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Gefordert ist da nicht zuletzt der Bundesrat: Er hat die Aufgabe, die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass eine Corona-Impfung nicht nur sinnvoll, sondern auch sicher ist. So gesehen wirkt es pro­blematisch, dass ausge­rechnet Bundespräsidentin ­Simonetta Sommaruga (60) als Impfskeptikerin gilt.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat den Ruf, eine Impf-Skeptikerin zu sein.
Foto: keystone-sda.ch
1/7

«Traktätchen gegen das äusserst sinnvolle Impfen»

Der frühere SP-Prä­sident Peter Bodenmann (68) schrieb 2013 über ­seine Parteikollegin: «Als sogenannte oberste Konsumentenschützerin liess Simonetta Sommaruga den Kampf gegen die Hochpreisinsel links liegen. Und veröffentlichte Traktätchen ausgerechnet gegen das äusserst sinnvolle Impfen.»
Grund für Bodenmanns Polemik: Sommaruga war von 1993 bis 2010 Geschäftsführerin beziehungsweise Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und gab in dieser Zeit einen viel beachteten Ratgeber heraus, der Eltern bei der Entscheidung helfen sollte, ob und gegen was sie ihre Kinder impfen lassen sollen. Sommaruga bezeichnete das Papier als «kritische Auseinandersetzung» mit dem Thema. Schulmediziner dagegen lasen es als Schmähschrift.

«Unausgewogen und mit Fehlern behaftet»

2006 verurteilten gleich drei ärztliche Fachgesellschaften (Schweizerische Gesellschaft für ­Pädiatrie, Schweizerische Gesellschaft für Infektio­logie, Pädiatrische Infektiologiegruppe Schweiz) den SKS-Ratgeber. Er enthalte viele Fehlinformationen. Etwa dass quecksilberhaltige Impfstoffe für die massive Zunahme von Autismus verantwortlich seien. Oder dass Mumps und Röteln harmlose Kinderkrank­heiten gewesen seien, heute aber als gefährlich gälten. Das BAG bezeichnete den Ratgeber als «unausgewogen und mit Fehlern behaftet». Er trage dazu bei, unberechtigte Vorbehalte gegen das Impfen zu schüren.

Auch ein gewisser Daniel Koch, heute pensioniert, damals noch Leiter Impfungen beim BAG, meldete sich zu Wort. Die «SonntagsZeiung» zitierte den Mann, der inzwischen als Mr. Corona bekannt ist, so: «Die Autoren gehören nicht zu den wissenschaftlich ausgewiesenen Impfexperten.»
Der geballten Kritik zum Trotz: Sommaruga distanzierte sich nie von den Inhalten des SKS-Papiers. Sie verteidigt es auch heute noch. «Beim damaligen Ratgeber ging es darum, den Menschen einen informierten Entscheid zu ermöglichen und für einen hohen Schutz der Bevölkerung zu sorgen», schreibt ihre Sprecherin auf Anfrage von SonntagsBlick.

Impfen als Chance

Den Vorwurf, generell Impfskeptikerin oder gar Impfgegnerin zu sein, weist Sommaruga indes weit von sich. Damals wie heute gehe es ihr lediglich darum, dass die Sicherheit, die Verträglichkeit und die Wirksamkeit einer Impfung garantiert seien – auch bei ­einer Covid-19-Impfung. «Die Arzneimittel-Zulassungsstelle Swissmedic muss genau diese Punkte in ihrer wissenschaftlichen Begutachtung sicherstellen», so Sommarugas Sprecherin.

Es scheint, als sehe die Bundespräsidentin das Impfen mittlerweile in erster Linie nicht mehr als potenzielle Gefahr, sondern als Chance. «Die Aussicht, einen Impfstoff zu entwickeln, gibt uns die Hoffnung, dass wir diese Krise beenden können», sagte sie im Juni am virtuellen Welt­gipfel zu Impfungen. Und auf die Gretchenfrage, ob sich Sommaruga selbst ­impfen lassen werde, sobald Swissmedic einem ­Covid-19-Vakzin die Zulassung ­erteilt hat, antwortet ihre Sprecherin klipp und klar: «Ja, sobald es genug Impfstoff hat und die Risiko­gruppen geimpft sind.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?