Die letzten Worte von Dreifachmörder Alfredo Lardelli (†59)
«Bleib bei mir!»

Ein undurchschaubarer Mann, ausgestattet mit einem unerschöpflichen Selbstbewusstsein. Ein Mann mit düsteren Seiten und vielen Geheimnissen – so erinnern sich ehemalige Weggefährten an Mörder Alfredo Lardelli. Er starb gestern früh im Universitätsspital Zürich.
Publiziert: 22.07.2015 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 13:13 Uhr
So sah er sich am liebsten: Alfredo Lardelli († 59) mit seiner 72-Kilo-Dogge «Lupo» im Zürcher Kreis 4.
Foto: Nicolas Y Aebi
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Von Michael Sahli

Alfredo Lardelli († 59) ist tot. Der wohl schillerndste Mörder der Schweiz starb gestern früh nach langer Krankheit an multiplem Organversagen. Seine Witwe sagt zu BLICK: «Alfredo war zwei Tage lang im Koma. Dann haben die Ärzte die Maschinen abgestellt.» Die letzten Wochen waren hart für die dritte Ehefrau des verurteilten Dreifachmörders: «Er hatte sehr heftige Schmerzen. Musste starke Medikamente nehmen und lag immer nur im Bett.»

Dann erzählt sie von den letzten Worten ihres Mannes in einem Krankenbett des Universitätsspitals Zürich. Er habe ihre Hand genommen und gesagt: «Schatz, bitte bleib bei mir.» Dann wurde er ins künstliche Koma versetzt und öffnete nie mehr die Augen.

Seit den 1980er-Jahren kennt die ganze Schweiz Alfredo Lardelli. Ein brutales Verbrechen machte ihn berühmt. 1989 wurde er wegen dreifachen Mordes zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt – 14 davon sass er ab. Lardelli erschoss in Siggenthal-Station AG den Mann seiner Geliebten und zwei Prostituierte.

Der heutige Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm (62) war damals der Richter. Er war es, der Lardelli für über ein Jahrzehnt hinter Gitter steckte. Stamm sagt: «So einen wie Lardelli gab es wohl nur einmal in der Schweiz.» Der Politiker erinnert sich: Alfredo Lardelli habe damals in Eigenregie die Journalisten zum Prozess geladen. Als Angeklagter, versteht sich. Ein völlig hemmungsloses Verhältnis zu den Medien, auch das war typisch für Alfredo Lardelli. Futter, Storys und Skurriles lieferte er mehr als genug. Nur ein Beispiel: 1999, direkt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, unterzog er den heutigen SVP-Nationalrat Alfred Heer (53) einer «Verkehrskontrolle». Lardelli stoppte den Politiker mit Blaulicht und Sirene und gab sich als Luzerner Polizist aus. «Heer hat gezittert wie Espenlaub», beschrieb Lardelli die absurde Situation später genüsslichst in Interviews.

Noch im Gefängnis entdeckte Lardelli eine Leidenschaft: Juristerei. Der verurteilte Mehrfachmörder studierte Gesetzesbücher und liess sich nebenbei zum Bäcker-Konditor ausbilden. Im Knast heiratete er auch eine Brasilianerin und nahm ihren Namen an: Borgatte Dos Santos.

Als er wegen guter Führung entlassen wurde, gab er sich selber den Titel Rechtskonsulent und eröffnete die Kult-Bäckerei Happy Beck im Zürcher Kreis 4. Sein Ego schwappte bis über den Atlantik: «In den USA wäre ich einer der grössten Star-Anwälte und würde gefeiert wie der Präsident», behauptete er.

Wer ihn interviewte, merkte sofort: Dieser Mann glaubt jedes seiner Worte. Auch das war sein Problem. Gerichtspsychiater Joseph Sachs analysierte für SRF: «Lardelli definiert sich über das, was er in seiner Umwelt über sich hört. Damit er jemand bleibt, sorgt er immer wieder für Gesprächsstoff.»

Der Rechtskonsulent bewegte sich fortan im Milieu, vertrat Bordellbesitzer und andere Selfmade-Männer. Seine letzte grosse Rolle hatte er in der Chilli’s-Affäre – als Sprecher des beschuldigten Chefs. Milieu-Anwalt Valentin Landmann (65) erinnert sich gut an Lardellis Rechtsverständnis: «Er zeleb­rierte immer eine extrem überzeichnete Juristensprache. Und versuchte irgendwie, ein Anwalts-Klischee darzustellen.» So prahlte er mit pseudo-juristischen Fachbegriffen und sprach Anwälte und Richter mit Vorliebe mit «Herr Kollega» an.

Am Ende sind sich alle einig: Alfredo Lardelli war ein Chamäleon. Und undurchschaubar. Mit düsteren Seiten, unerschöpflichem Selbstbewusstsein – und vielen Geheimnissen.

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