Edelweiss-Hemd, Schellen-Ursli, Heidi-Hit
Die Schweiz im Folklore-Fieber

In der Schweiz erblüht ein ungekannter ländlicher Patriotismus. Der Basler Soziologe Ueli Mäder sagt BLICK, woher die Lust auf mehr Heimatliebe rührt.
Publiziert: 15.12.2015 um 18:40 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:43 Uhr
SVP-Protest im März: (von rechts) Andreas Aebi (BE), Peter Keller (Keller (NW), Pirmin Schwander (SZ), Markus Hausammann (TG)  und Lukas Reimann (SG) tragen Edelweiss.
Foto: Peter Klaunzer
Von Gregory Remez

Nie waren wir stolzer auf unser Land. Wie der CS-Sorgenbarometer 2015 verrät, sind 94 Prozent der hiesigen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stolz darauf, Schweizer zu sein – so viele wie noch nie.

«In der Schweiz entsteht ein stärkeres Bewusstseit für eigene Vorteile»: Basler Soziologe Ueli Mäder.
Foto: Philippe Rossier

In der Schweiz erblüht ein ungekannter Patriotismus: Das Schwingen boomt, das Edelweiss-Hemd manifestiert sich als patriotisches Symbol und der Schellen-Ursli sowie das Heidi – zwei Filme, welche die ländliche Schweiz zelebrieren – werden zu cineastischen Grosserfolgen.

Für den Basler Soziologen Ueli Mäder kommt diese Entwicklung nicht überraschend. «Gerade in einer Zeit, wo sich auf der Welt so vieles bewegt – ich denke da an die Flüchtlings- und Wirtschaftskrise, den IS, neue Formen des Krieges – ist es nachvollziehbar, dass auch in der Schweiz ein stärkeres Bewusstsein für eigene Vorteile entsteht», sagt er in einem Gespräch mit BLICK.

Blind für äussere Einflüsse

Die Schweiz – ein Land von Patrioten? Während in anderen Ländern Schüler jeden Tag die Nationalhymne singen oder den Eid auf die Verfassung schwören, haben sich Schweizer in dieser Hinsicht bisher eher neutral zurückgehalten.

Oder täuscht dieser Eindruck? Mäder: «Ich halte Ländervergleiche generell für problematisch. Patriotismus hat für mich immer zwei Dimensionen, eine eher nationalistische und eine gemässigtere, heimatsbezogenere. Nimmt erstere Überhand, kommt es zu einer Überhöhung der eigenen Rolleninterpretation.»

Das sei mitunter auch in der Schweiz zu beobachten: «Unsere Geschichte ist durchsetzt mit Mythen und Legenden. Dabei entsteht die Gefahr, dass man gegenüber äusseren Faktoren blind wird und die eigene Erfolgsgeschichte übermässig als Eigenverdienst ansieht.»

Passiver Patriotismus

Im Grossen und Ganzen sei es aber tatsächlich so, dass hierzulande ein eher nüchternes und distanziertes Verhältnis zum Patriotismus herrsche. «In der Schweiz wird Patriotismus eher passiv gelebt», so Mäder.

Woher kommt also der Patriotismus-Boom? Woher das Bedürfnis, sich plötzlich im Edelweiss-Hemd als Patriot zu outen? «In einer Welt, die zunehmend komplexer wird, ist die Suche nach der eigenen Stellung nicht ganz einfach», sagt Mäder. «In diesem Kontext wird die Sehnsucht nach einem Stückchen Heimat kultiviert.»

Das könne sich unter anderem darin äussern, dass sich Menschen vermehrt auf Traditionen berufen und dies auch zur Schau tragen.

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