Ende einer Männerdomäne
Der neue Hausarzt ist eine Frau

Sie ist jung, top ausgebildet und arbeitet Teilzeit. Damit entspricht Eva Zwyssig (33) aus dem Kanton Luzern einer neuen Generation von Allgemeinmedizinern, die einiges anders macht als ihre Vorgänger. Und genauso gefragt ist.
Publiziert: 23.06.2021 um 16:19 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2021 um 16:31 Uhr
Jonas Dreyfus

Es sei schon eine Umstellung gewesen für einige Patienten, sagt Ärztin Eva Zwyssig (33). Im Mai vor einem Jahr übernahm sie mit einer Kollegin und einem Kollegen die Patienten des einzigen Hausarztes von Eschenbach LU, einer Gemeinde mit rund 3500 Einwohnern. «Bin ich jetzt jedes Mal bei jemand anderem?», hätten Patienten gefragt, denen das Konzept der Gruppenpraxis noch nicht geläufig war.

Das Konzept gehört laut der «Sanitas Health Forecast»-Studie, die heute erschienen ist, zur Zukunft der Hausarztmedizin. Genauso wie das Teilzeitpensum, in dem Zwyssig tätig ist. Die Deutsche ist mit einem Schweizer verheiratet, vor neun Monaten wurde sie Mutter eines Sohnes. «Die Zeiten, als der Hausarzt ein Alleinkämpfer war, der von Montag bis Samstag durcharbeitete, sind vorbei», sagt sie. Im Moment ist sie 40, ab August 50 Prozent tätig.

Für den Sanitas-Gesundheitsreport, der dieses Jahr zum zweiten Mal erscheint, befragte die Intervista AG online 2000 Personen zu Themen wie Ernährung und Sexualität. Die Ergebnisse sind eine Momentaufnahme dessen, wie Schweizerinnen und Schweizer sich körperlich und geistig fühlen.

Häusärtzin Eva Zwyssig (33) vor der Gemeinschaftspraxis in Eschenbach LU.
Foto: Nathalie Taiana
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Das Vertrauen ist ungebrochen

Die Studie macht klar: Das Gesundheitsbewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer ist nicht zuletzt aufgrund der Covid-Pandemie stark gestiegen. Heute wird mehr auf die Gesundheit geachtet als noch vor einem Jahr. Wegen körperlicher Beschwerden oder für Kontrollen konsultieren 84,4 Prozent von ihnen eine Hausärztin oder einen Hausarzt. Bei den 45- bis 59-Jährigen sind es 88,3, bei den über 60-Jährigen sogar 91,7 Prozent. Generell ist das Vertrauen in Ärzte hoch – und stieg laut der Studie während der Pandemie nochmals deutlich an.

Das spüren auch Eva Zwyssig und ihre Kollegen. Inzwischen besteht das Team aus fünf Ärztinnen und Ärzten. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung der Praxis in der neuen Wohnsiedlung Oberhof können sie nur noch beschränkt neue Patienten aufnehmen. Bei ihnen haben jede Patientin und jeder Patient ihre eigene Ärztin oder ihren eigenen Arzt als Ansprechperson, sagt Zwyssig. «Das ist wichtig, um intensive Beziehungen aufbauen und pflegen zu können.»

Doch es ist eben auch ein Vorteil von Gemeinschaftspraxen, dass man bei Bedarf zu jemand anderem in die Sprechstunde gehen kann. Zum Beispiel, wenn es um einen Notfall geht oder der eigene Hausarzt in den Ferien ist. Zwyssig: «Beim Hausarzt, wie man ihn von früher kennt, war die Praxis im Sommer einfach mal zwei Wochen geschlossen. Das gibt es bei uns nicht.» Ein weiterer Vorteil: Wer eine Zweitmeinung braucht, kann sich an einen Kollegen wenden. Zwyssig studierte sechs Jahre lang, hinzu kamen fünf Jahre Weiterbildung, eines davon auf einer Rheumatologie-Abteilung. «Jeder von uns hat sein Spezialgebiet.»

Digitale Hilfsmittel machen es möglich

«Die jungen Hausärztinnen und -ärzte von heute sind wahrscheinlich so gut ausgebildet wie kaum eine Generation davor», sagt Regula Friedli-Kronenberg (28), Präsidentin der Jungen Haus- und KinderärztInnen Schweiz. Der Verein zählt 1698 Mitglieder, fast drei Viertel davon sind Frauen. Auch an den Universitäten boomt die Hausarztmedizin. Gemäss einer Studie des Berner Instituts für Hausarztmedizin können sich
60 Prozent der Schweizer Medizinstudierenden vorstellen, eine Karriere in diese Richtung einzuschlagen.

Der typische Hausarzt war lange Zeit ein älterer Herr, heute ist «er» jung und weiblich. Dass viele Frauen den Beruf wählen, hat nicht nur damit zu tun, dass er sich gut mit einer Familie vereinbaren lässt, sondern mit der Tatsache, dass Frauen heute einen Grossteil der Medizinstudierenden ausmachen. «Es ist deshalb nur logisch, dass der Hausarzt der Zukunft eine Frau ist», sagt Stefan Neuner-Jehle (57), Professor am Institut für Hausarztmedizin an der Uni Zürich. «Sie arbeitet Teilzeit und – ein ganz wichtiger Punkt – nutzt digitale Hilfsmittel.»

Ohne sie kommt auch die Gemeinschaftspraxis in Eschenbach nicht aus. Wenn Zwyssig einen Patienten einer Kollegin oder eines Kollegen behandelt, muss sie sich in kurzer Zeit einen Überblick über seine Krankengeschichte verschaffen. Dazu benötigt sie eine digitale Akte, auf die sie sofort zugreifen kann. Schon viele Monate vor der Eröffnung habe sie damit begonnen, die handgeschriebenen Notizen ihres Vorgängers in den Computer zu tippen. «Manche Patienten waren am Anfang irritiert, dass ich während der Konsultation keinen Stift in der Hand hielt.»

Spannende Ergebnisse aus dem Sanitas-Gesundheitsreport 2021

Je älter, desto glücklicher

Mit zunehmendem Alter fühlen sich Schweizerinnen und Schweizer glücklicher und sind gleichzeitig weniger gestresst. Anders bei den jungen Erwachsenen: 18 Prozent der 18- bis 29-Jährigen fühlen sich im Alltag oft einsam. Bei den über 60-Jährigen sind es nur 7 Prozent. Generell bereitet es der Bevölkerung am meisten Freude, ins Freie zu gehen, Zeit mit Freunden und bekannten zu verbringen und zu schlafen. Am wenigsten wichtig, um sich glücklich zu fühlen, ist ihnen Sexualität.

Der Bauch stört am meisten

Der Bauch ist nach wie vor die Problemzone Nummer eins. 62 Prozent der Frauen und 55 Prozent der Männer würden ihren eigenen Bauch gerne verändern. Was Oberkörper und Brust betrifft, sind Frauen weitaus zufriedener mit sich als Männer. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit dem Aussehen im Vergleich zum vergangenen Jahr aber bei fast allen Körperteilen gesunken. Um dem entgegenzuwirken, geben Schweizer und Schweizerinnen monatlich rund 77.50 Franken für Schönheit und Sport aus.

Doppelt so viel Sex wäre schön

Ein Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer ist davon überzeugt, dass das Sexualleben unsere Gesundheit beeinflusst. 68 Prozent sind der Meinung, der Einfluss sei psychischer, 60 Prozent physischer Natur. Schweizerinnen und Schweizer haben im Durchschnitt 5,4-mal Sex pro Monat, würden es aber gerne 9,7-mal tun. Einen schweren Stand haben sexuelle Trends wie DNA-Matching und Virtual-Reality-Pornografie. Pornografie für Frauen und Dating-Apps sind vergleichsweise beliebt, polarisieren aber stark.

Gesundheit interessiert immer mehr Menschen

Das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung hat nicht zuletzt aufgrund der Covid-Pandemie zugenommen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, heute mehr auf ihre Gesundheit zu achten als noch vor einem Jahr. 11 Prozent bezeichnen sich gar als Gesundheits-Enthusiasten, 39 Prozent als Gesundheits-Interessierte. 82 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich sogar in der Lage, ihre Gesundheit aktiv und ganzheitlich zu managen.

Der Schweizer Health Forecast 2021 von Sanitas

Je älter, desto glücklicher

Mit zunehmendem Alter fühlen sich Schweizerinnen und Schweizer glücklicher und sind gleichzeitig weniger gestresst. Anders bei den jungen Erwachsenen: 18 Prozent der 18- bis 29-Jährigen fühlen sich im Alltag oft einsam. Bei den über 60-Jährigen sind es nur 7 Prozent. Generell bereitet es der Bevölkerung am meisten Freude, ins Freie zu gehen, Zeit mit Freunden und bekannten zu verbringen und zu schlafen. Am wenigsten wichtig, um sich glücklich zu fühlen, ist ihnen Sexualität.

Der Bauch stört am meisten

Der Bauch ist nach wie vor die Problemzone Nummer eins. 62 Prozent der Frauen und 55 Prozent der Männer würden ihren eigenen Bauch gerne verändern. Was Oberkörper und Brust betrifft, sind Frauen weitaus zufriedener mit sich als Männer. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit dem Aussehen im Vergleich zum vergangenen Jahr aber bei fast allen Körperteilen gesunken. Um dem entgegenzuwirken, geben Schweizer und Schweizerinnen monatlich rund 77.50 Franken für Schönheit und Sport aus.

Doppelt so viel Sex wäre schön

Ein Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer ist davon überzeugt, dass das Sexualleben unsere Gesundheit beeinflusst. 68 Prozent sind der Meinung, der Einfluss sei psychischer, 60 Prozent physischer Natur. Schweizerinnen und Schweizer haben im Durchschnitt 5,4-mal Sex pro Monat, würden es aber gerne 9,7-mal tun. Einen schweren Stand haben sexuelle Trends wie DNA-Matching und Virtual-Reality-Pornografie. Pornografie für Frauen und Dating-Apps sind vergleichsweise beliebt, polarisieren aber stark.

Gesundheit interessiert immer mehr Menschen

Das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung hat nicht zuletzt aufgrund der Covid-Pandemie zugenommen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, heute mehr auf ihre Gesundheit zu achten als noch vor einem Jahr. 11 Prozent bezeichnen sich gar als Gesundheits-Enthusiasten, 39 Prozent als Gesundheits-Interessierte. 82 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich sogar in der Lage, ihre Gesundheit aktiv und ganzheitlich zu managen.

Der Schweizer Health Forecast 2021 von Sanitas

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