Extremismus
Anwalt im Winterthurer An'Nur-Prozess: «Nur ein normaler Muslim»

Die Anwälte der beschuldigten Moschee-Besucher, die sich seit Montag vor dem Winterthurer Bezirksgericht verantworten müssen, haben am Mittwoch ihre Mandanten als unbescholtene Bürger dargestellt. Sie seien «ganz normale Muslime», keine Extremisten.
Publiziert: 03.10.2018 um 12:43 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2019 um 06:59 Uhr
Die zehn Angeklagten im An'Nur Prozess in Winterthur seien «ganz normale Muslime», keine Extremisten, so ihre Anwälte.
Foto: KEYSTONE/LINDA GRAEDEL

Sein Mandant sei als gefährlicher Extremist und Salafist gebrandmarkt worden, sagte der Anwalt eines 23-jährigen Schweizers mit kosovarischer Herkunft. «Dabei ist er ein unbescholtener Bürger, nicht vorbestraft, in dörflichen Verhältnissen aufgewachsen.»

Die Staatsanwaltschaft habe sich mit dieser Anklage profilieren wollen und sich von den Medien instrumentalisieren lassen. «Nichts ist auch nur im Ansatz bewiesen.» Sein Mandant sei während des ganzen angeblichen Angriffs im Frauenraum gewesen.

Er forderte für seinen Mandanten einen Freispruch sowie 36'000 Franken Entschädigung für die sechs Monate dauernde Untersuchungshaft. Zudem soll der Staat, also der Steuerzahler, für den Erwerbsausfall aufkommen, weitere 30'000 Franken.

Auch der Anwalt des 22-jährigen Mazedoniers, der einem der vermeintlichen «Verräter» eine Zehnernote in den Rachen gestopft haben soll, forderte einen Freispruch sowie finanzielle Entschädigung für die Untersuchungshaft.

Auch er stellte seinen Mandanten als unbescholtenen Bürger dar. «Er ist ein ganz normaler Muslim, kein Extremist.» Es habe lediglich eine mündliche Auseinandersetzung in der Moschee gegeben, es gebe jedoch keine Beweise für Gewalt. «Die Staatsanwaltschaft hat die Sache wegen der ganzen Medienaufmerksamkeit dramatisiert.»

Der 22-Jährige wäre einer jener Beschuldigten, die gemäss Antrag der Staatsanwaltschaft für zehn Jahre des Landes verwiesen werden sollen. «Das wäre unverhältnismässig», sagte der Anwalt weiter. «Er würde in Mazedonien vor dem Nichts stehen.»

Die Staatsanwaltschaft wirft acht jungen Muslimen, ihrem Imam sowie dem Vereinspräsidenten vor, im November 2016 zwei vermeintliche «Spitzel» verprügelt, mit dem Tod bedroht und eingesperrt zu haben. Sie waren überzeugt, dass die beiden «Verräter» einem Journalisten Film- und Fotoaufnahmen aus der An'Nur-Moschee verkauft hatten.

Mit Hilfe dieser Aufnahmen wurde ein 25-jähriger äthiopischer Vorbeter schliesslich vom Bezirksgericht Winterthur verurteilt und für 10 Jahre des Landes verwiesen. Er hatte in einer Hasspredigt zu Gewalt an «schlechten Muslimen» aufgerufen.

Die Staatsanwältin fordert für die zehn Beschuldigten teilbedingte Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Die Ausländer unter ihnen sollen zudem für 10 Jahre des Landes verwiesen werden.

«Wir führen einen Prozess gegen Menschen, die ihre Religion über das Rechtssystem in diesem Land stellen», sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer vom Dienstag. In diesem Land gebe es keinen Raum für Schattensysteme. Und es gebe keinen Platz für Selbstjustiz gegen angebliche «Verräter» einer Religion.

Die Beschuldigten streiten jedoch alle Vorwürfe ab. Sie hätten lediglich mit den beiden geredet. Vereinzelte unter ihnen hätten sie zwar angespuckt und beleidigt. Zu Gewalt sei es aber nicht gekommen. Das Bezirksgericht wird das Urteil am 23. Oktober eröffnen.

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