Geschmacklose Werbung
Anzeigenhauptmeister sorgt jetzt auch in der Schweiz für Empörung

Der Versicherer Smile wirbt derzeit mit dem Schreckgespenst für Automobilisten. Was als Witz gedacht ist, findet die Velolobby gar nicht zum Lachen.
Publiziert: 25.08.2024 um 09:10 Uhr
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Aktualisiert: 26.08.2024 um 22:32 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Smile-Werbung sorgt erneut für Empörung und Kritik.
  • Pro Velo fordert sofortige Rücknahme des umstrittenen Plakats.
  • 2023 verunglückten 26 Personen tödlich mit dem Velo.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Peter AeschlimannRedaktor

Das mit dem Humor in der Werbung ist so eine Sache. Die Fallhöhe ist gross – und nicht alle sind bereit, trotzdem zu lachen. Diese Erfahrung muss derzeit auch die Versicherung Smile machen. Auf einem ihrer neuen Plakate, die schweizweit an Bahnhöfen, Busstationen und dicht befahrenen Plätzen hängen, heisst es: «Anzeigenhauptmeister erblickt und vor Schreck ein Fahrrad gerammt.»

Der «Anzeigenhauptmeister» ist ein 18-jähriger Aktivist, der in Deutschland Jagd auf Parksünder und Strassenrowdys hinter dem Lenkrad macht. In den letzten Monaten ist der mit einer Leuchtweste ausgestattete Hilfssheriff zum Schreckgespenst der Automobilisten geworden – nun verwendet ihn Smile als Werbesujet in der Schweiz.

Gar nicht zum Lachen findet das der nationale Dachverband Pro Velo, der die Interessen der Zweiradfahrerinnen und Zweiradfahrer vertritt. Gegenüber Blick sagt Sprecherin Claudia Bucher: «Das Verharmlosen von Verkehrsunfällen, insbesondere solcher, die Velofahrende betreffen, ist inakzeptabel und zeigt eine Respektlosigkeit gegenüber den Opfern und deren Familien.» Das fragliche Plakat sei geschmacklos, gefährlich, diskriminierend und unverantwortlich. Pro Velo fordert von Smile deshalb eine «sofortige Rücknahme dieses Plakats».

Das Plakat der Versicherung Smile, das bei der Velolobby gar nicht gut ankommt.
Foto: Peter Aeschlimann
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«Ex getroffen. Mit Auto.»

Die Helvetia-Tochter Smile sorgt mit ihrer Werbung nicht zum ersten Mal für Empörung. Vor ziemlich genau einem Jahr löste ein anderes Sujet Hunderte von verärgerten Reaktionen aus. Der damals kritisierte Werbeslogan lautete: «Ex getroffen. Mit Auto.» Eine Leserin, die eine Beschwerde bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission einreichte, sagte im «Tages-Anzeiger»: «Mehr Frauenverachtung geht kaum.» Die Versicherung würde auf Männer anspielen, die ihre Frauen mit dem Auto überführen und töteten. «Solche Taten werden hier als Witz dargestellt.» Die Beschwerde wurde im letzten Herbst allerdings abgewiesen.

Smile kann die Aufregung um die neue Kampagne nicht verstehen. Dem Blick schreibt die Versicherung: «Dass unser Werbeplakat in einem derartigen Kontext verstanden wird, finden wir schade.» Man hege in keiner Weise die Absicht, Verkehrsunfälle zu verharmlosen. Auch erschliesse sich Smile nicht, was am erwähnten Sujet diskriminierend sein soll: «Im Text steht, dass ein Fahrrad getroffen wurde, nicht ein Fahrradfahrer.» Blechschäden an parkierten Velos und anderen Fahrzeugen würden einen grossen Teil der Schadensmeldungen im Versicherungsgeschäft darstellen. Diesen Umstand habe man mit der Werbung humoristisch thematisieren wollen. Aus der Bevölkerung bekomme man «durchwegs Zuspruch», was die Kampagne und deren humoristische Seitenblicke betreffe.

26 verunfallten tödlich

Seit zehn Jahren zeigt die Kurve der im Strassenverkehr verletzten oder getöteten Velofahrenden stark nach oben. 2023 verunglückten 26 Personen tödlich mit dem Velo, 733 verletzten sich. In jüngster Zeit flache dieses Wachstum zwar ab, sagt Pro-Velo-Sprecherin Claudia Bucher, doch immer noch seien es zu viele. «Pro Velo setzt sich dafür ein, dass schnell eine bessere Infrastruktur geplant und umgesetzt wird.»

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