Skandal beim Bündner Kantonsgericht
Richter änderte heimlich Urteil bei Erbstreit ab

Beim Bündner Kantonsgericht kommt es zu einem Skandal: Der Gerichtspräsident änderte 2018 ein Urteil ab – ohne seine Kollegen zu informieren.
Publiziert: 05.02.2020 um 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2020 um 13:00 Uhr
Skandal am Kantonsgericht Graubünden: Der Gerichtspräsident änderte heimlich ein Urteil in einem Erbstreit.
Foto: 10vor10
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Das Bündner Kantonsgericht fällte am 15. Mai 2018 in einem Erbstreit ein Urteil – zu Gunsten von Patrick Schmit, einem Sohn des Verstorbenen. Ihm sollte rund 500'000 Franken ausbezahlt werden. So steht es im Urteil, das von der Kammer beschlossen worden war.

Doch im schliesslich verschickten Urteil hiess es, dass wegen einer angeblichen Abtretungserklärung das Geld aber seinem früheren Anwalt ausbezahlt werden sollte, obwohl dieser nicht einmal Teil des Prozesses war. Da der Anwalt zum Zeitpunkt des Urteils bereits tot war, stand das Geld seiner Erbin zu. Für Schmit ein Schock.

Recherchen von «10vor10» und der «Republik» zeigen, dass es vom Urteil zwei Versionen gibt: In der ursprünglichen Fassung hätte Patrick Schmit das Geld selber bekommen. Wie konnte das sein? Offenbar hat Gerichtspräsident Norbert Brunner das Urteil abgeändert – ohne seine Kollegen zu informieren.

Abtretungserklärung nicht relevant

Richter Peter Schnyder hält gemäss der «Republik» fest, dass die Abtretungs­erklärung, die zur Änderung des Urteils führte, erst nach der Beratung des Richter­gremiums auftauchte – also für den Prozess nicht relevant sei.

Brunner gab in einer Stellungnahme gegenüber seinen Kollegen sogar zu, dass er persönlich die Änderung des Urteils anordnete – heimlich. «Unbestritten ist, dass die Formulierung des Dispositivs im Sinne einer Anweisung an das Regionalgericht Maloja auf Anordnung von mir angepasst wurde», so Brunner.

Hunderte solcher Fälle

Als Brunner mit den Dokumenten konfrontiert wird, will er von all dem nichts mehr wissen. «Es ist völlig klar, dass ein einmal von der Kammer verabschiedetes Urteilsdispositiv von einem einzelnen Richter nicht abgeändert werden darf», schreibt er in einer Stellungnahme. Das sei auch nicht passiert: «Die Kammer erteilte nach der Beratung der Hauptpunkte des Verfahrens dem Vorsitzenden und dem Aktuar den Auftrag, das Urteil zu bereinigen und das Urteilsdispositiv zu formulieren.»

Eine solche Bereinigung von Urteilen hat Brunner in hunderten Fällen getätigt. Das bestätigt er gegenüber «10vor10». Für den Basler Verfassungsrechtler Markus Schefer ist klar: «Was hier gemacht wurde, darf man ganz sicher nicht.»

Strafanzeige wegen Urkundenfälschung

Brunners Vorgehen hat Konsequenzen. Konkret sind bei Staatsanwaltschaft zwei Strafanzeigen eingegangen – beide wegen Urkundenfälschung. Die Kläger sind ein anderer Richter sowie der geschädigte Erbe Patrick Schmit.

Auch Schmits jetziger Anwalt Gabriel Nigon ist empört. Denn gegen den einzigen Richter, der das Vorgehen von Brunner kritisierte, wurde ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. «Das sind schon spezielle Verhältnisse», sagt Nigon. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. (bra)

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