«Es war sicher unglücklich geschrieben, dafür entschuldige ich mich»
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Pächter nach Schlitten-Vorfall:«Es war unglücklich geschrieben, entschuldige mich dafür»

Anzeige eingereicht
Davoser Bergstation vermietet keine Schlitten an Juden

Die Betreiber der Davoser Bergstation Pischa vermieten keine Sportgeräte an jüdische Gäste. Als Grund für die ungewöhnliche Massnahme werden negative Erfahrungen genannt.
Publiziert: 12.02.2024 um 07:51 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2024 um 22:42 Uhr

Sein Aushang sorgte für mächtig Ärger. Jetzt krebst Ruedi Pfiffner (61), Pächter des Bergrestaurants Pischa, zurück.

Was ist passiert?

Ein Post des Zürcher Gemeinderats Jehuda Spielman hat am Sonntag auf der Plattform X viele Kommentare bekommen. Inhalt des Beitrags: Die Bergstation Pischa in Davos GR soll laut einem Aushang, den Spielman seinem Post beifügte, keine Sportgeräte wie Schlitten oder Ski an Juden vermieten. Als Grund werden «verschiedene ärgerliche Vorfälle» angegeben.

Jüdische Gäste bekommen von der Bergstation Pischa in Davos laut einem Aushang keine Sportgeräte mehr.
Foto: X @JehudaSpielman
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Der Aushang wurde auf Hebräisch verfasst. Jüdische Wintersportfans mussten an der Bergstation lesen: «Aufgrund verschiedener sehr ärgerlicher Vorfälle, darunter der Diebstahl eines Schlittens, vermieten wir keine Sportgeräte mehr an unsere jüdischen Brüder. Dies betrifft alle Sportgeräte wie Schlitten, Airboards, Skis und Schneeschuhe.» Die jüdische X-Community reagiert entsetzt. «Ich bin sprachlos» oder «unglaubliche Diskriminierung» liest man in den Kommentaren. Laut Spielman soll es zudem weitere anti-jüdische Aushänge bei Pischa geben.

Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund kommt die Massnahme ebenfalls nicht gut an. «Dass so ein Schreiben auf einem Schweizer Berg öffentlich aufgehängt wird, ist erschreckend. Der Inhalt ist höchst diskriminierend und antisemitisch», sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner gegenüber «20 Minuten». Er fügt hinzu: «Auch wenn das Unternehmen vereinzelte schlechte Erfahrungen gemacht haben sollte, ist das kein Grund dafür, diese zu pauschalisieren.»

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Kreutner kündigt ferner am Montag gegenüber CH Media rechtliche Schritte an: «Wir werden eine Anzeige nach Verstoss gegen Rassismusstrafnorm einreichen.» Die Kantonspolizei Graubünden hat bereits Ermittlungen aufgenommen. Es bestehe Verdacht auf Diskriminierung und Aufruf zu Hass.

In einer Mitteilung meldet sich ebenfalls die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) zu Wort. «Dies ist nicht nur ein bedenklicher Akt der Ausgrenzung, sondern auch ein klarer Verstoss gegen die Grundprinzipien der Gleichbehandlung und des Respekts und eine Form von Antisemitismus», schreibt die GRA. Und liefert einen möglichen Lösungsvorschlag für den speziellen Fall: die Hinterlegung eines Depots oder des Ausweises.

So reagiert das Bergrestaurant Pischa auf die Vorwürfe

Solch heftige Reaktionen hat man offenbar nicht erwartet. «Es hat absolut nichts mit Antisemitismus zu tun», sagt der Pächter des Bergrestaurants Pisch, Ruedi Pfiffner, am Montagnachmittag zu Blick. «Der Aushang war sicher falsch formuliert, dafür entschuldige ich mich.» Pfiffner habe schon sehr viele schöne und gute Erfahrungen mit jüdischen Gästen machen dürfen: «Sie sind auch weiterhin willkommen. Ich bin bereit, mit den Betroffenen zu sprechen», so Pfiffner. Das Schreiben sei mittlerweile abgehängt. Im Video erklärt er, unter welchen Umständen der Aushang entstand.

In einem ersten Statement erklärt das Bergrestaurant Pischa den Aushang bei «20 Minuten»: «Wir wollen den täglichen Ärger nicht mehr und machen darum von unserem Recht Gebrauch, zu entscheiden, wer unser Eigentum mieten kann und wer nicht.» Jüdische Gäste würden regelmässig Schlitten und andere Geräte auf der Piste stehenlassen. «Wir müssen dann die Schlitten wieder einsammeln, sofern sie noch zu finden sind.» Hinzu kommt: Oftmals würden Schlitten und Airboards gar nicht mehr zurückgebracht.

«Wir wollen das Risiko nicht mehr tragen, dass irgendwann einer dieser Gäste einen schweren Unfall baut und uns dafür zur Rechenschaft zieht», so die Verantwortlichen. Geht es nach ihnen, sollten sich die Gäste den Schweizer Regeln und Gepflogenheiten anpassen. «Dass wir ihnen nichts mehr vermieten wollen, hat nichts mit Glauben, Hautfarbe oder persönlichen Neigungen zu tun, sondern nur damit, dass wir keine Lust mehr haben auf diese täglichen Diskussionen und Reibereien», heisst es im Statement.

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Schweiz Tourismus spricht von «bedauerlichem Vorfall»

Im vergangenen Jahr hatte der Davoser Tourismus-CEO Reto Branschi (64) sich bereits über die jüdischen Gäste aufgeregt. «Ein Teil dieser Gästegruppe hat spürbar Mühe, die Regeln des Zusammenlebens hier in Davos zu respektieren», sagte er etwa in der «Davoser Zeitung». Er beklagte Abfall in der Natur und respektlosen Umgang.

Vom Aushang distanziert sich Branschi und bezeichnet ihn gegenüber «20 Minuten» als unglücklich formuliert. «Er steht nicht für die Haltung der Destination und der touristischen Anbieter unseres Ortes», macht er deutlich.

Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus, verurteilt den «bedauerlichen Vorfall» bei der Bergstation Davos-Pischa. Solche Äusserungen seien keineswegs akzeptabel. Allerdings hält er fest, dass es kein «systemisches Problem» gebe: «Der Schweizer Alpenraum ist eine der Lieblingsdestinationen jüdisch-orthodoxer Reisender, und in den allermeisten Fällen sind unsere jüdischen Gäste auch sehr zufrieden.»

Für die Schweiz als Ganzes erwartet Berger wegen dieser Episode keinen Imageverlust. Grund für spezifische Massnahmen von Schweiz Tourismus gebe es aktuell nicht. Schweiz Tourismus biete für Gastgeber bereits seit 2019 und in Zusammenarbeit mit Hotelleriesuisse und dem Schweizerisch-Israelitischen Gemeindebund (SIG) eine Broschüre namens «Jüdische Gäste in der Schweiz». Diese soll Unsicherheiten und Missverständnissen im Umgang mit jüdischen Gästen vorbeugen.

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