«Junge Autolenker überschätzen sich vielfach»
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Paul Sutter zu Heckausbrüchen:«Junge Autolenker überschätzen sich vielfach»

Jetzt redet ihnen ein BMW-Senior (72) ins Gewissen
Junge schrotten ihre Boliden reihenweise

Viele Unfallmeldungen der Polizei klingen ähnlich wie die Geschichte von Auto-Influencer Malte P. (27): Ein Junglenker mit einem PS-starken Heckantrieb verliert die Kontrolle und crasht. BMW-Senior Paul Sutter (72) redet den Jungen ins Gewissen.
Publiziert: 11.02.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 23.02.2023 um 11:03 Uhr
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Ralph DonghiReporter News

Männer wie Malte P.* (27) gibt es auf Schweizer Strassen viele: Sie sind jung, lieben PS-starke Autos – und sie bauen spektakuläre Unfälle. Auch Auto-Influencer P. muss bald vor Gericht antraben. Bei seinem 1er-BMW-Ersatzwagen soll Ende 2020 schon das Heck ausgebrochen sein. Zudem geriet er in einem anderen Fall auf die Gegenfahrbahn und knallte in ein entgegenkommendes Fahrzeug. «Jeder macht mal Fehler», sagt der Bündner mit portugiesischen Wurzeln gegenüber Blick. Tatsächlich ist P. in guter Gesellschaft, wie eine Analyse der jüngsten Unfallmeldungen zeigt. Immer wieder verunfallen junge Männer mit Heckantrieb-Autos. Nach manchen der Crashs stellte sich dann heraus: Die Assistenzsysteme wurden abgeschaltet – wohl absichtlich, um Driften zu ermöglichen.

Der gleiche Unfallhergang jede Woche

21. Januar 2023, Baden AG: In einem BMW M3 beschleunigt ein Mann (18) in einer Kurve zu stark, worauf das Heck ausbricht. Der BMW schleudert gegen einen Hauseingang. Totalschaden!

18. Januar 2023, Villmergen AG: Ein 19-Jähriger lenkt mit seinem BMW 530 in den Kreisverkehr ein – und drückt offenbar mächtig auf das Gaspedal. Das Heck bricht aus, der BMW knallt in einen Baum.

Malte P. (27) baute einen Unfall, wie er auf Schweizer Strassen nur zu oft vorkommt: Junge Lenker schrotten Autos mit Heckantrieb.
Foto: Ralph Donghi
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14. Januar 2023, Gerlafingen SO: Der Lenker (20) eines BMWs verliert die Herrschaft über sein Fahrzeug und kommt rechts von der Strasse ab. Dort durchbricht der Wagen einen Zaun und prallt gegen einen Stein.

Dass immer wieder die Marke BMW betroffen ist, dürfte kein Zufall sein: Der bayrische Autohersteller ist beliebt bei Jungen – und setzt auf Heckantrieb.

«Man sollte ja nie ein Risiko eingehen»

Mit 72 Jahren hat Paul Sutter wohl mehr Fahrpraxis als die oben erwähnten Crash-Fahrer zusammen. Der Senior war 26 Jahre beim Aargauer Strassenverkehrsamt angestellt, war rund zehn Jahre lang Präsident der Fahrlehrerprüfungskommission Nordwest-Schweiz. Und Sutter fährt bereits seinen sechsten BMW, aktuell einen M235i xDrive mit 326 Pferdestärken. «Mir gefällt das Auto einfach von der Form her», sagt er. Trotz Benzin im Blut kann er nur den Kopf schütteln ob der Unfallserie des Heckantrieb-Nachwuchses. «Viele junge Autofahrer können zwar rasant beschleunigen, aber im Retourfahren sind sie nicht die grossen Talente.» Und weiter: «Ich glaube schon, dass sich die Jungen vor allem überschätzen. Man sollte ja nie ein Risiko eingehen und beim Fahren immer Reserven schaffen. Und das ist vor allem bei den Jüngeren nicht der Fall.»

9. Januar 2023, Muttenz BL: Ein Mann (24) drückt bei seinem BMW aufs Gas, als die Signalisation «50 km/h aufgehoben» erscheint. Das Auto kommt ins Schleudern, knallt in eine Mauer. Der junge Mann sagt, er habe einem Tier ausweichen müssen.

8. Januar 2023, Safenwil AG: Ein Zürcher (22) beschleunigt seinen Mercedes AMG auf der A 1 zu stark, worauf der Wagen auf der nassen Fahrbahn ausser Kontrolle gerät. Zuerst streift er ein anderes Auto und prallt dann schleudernd gegen die Leitplanke.

26. November 2022, Neuenhof AG: Der Fahrer (24) eines BMW M3 fährt auf der A 1 in Richtung Bern und verliert laut Polizei «die Kontrolle über den leistungsstarken Wagen». Dabei bricht «das Heck aus», worauf das Auto gegen die Mauer in der Fahrbahnmitte prallt.

«Fahrt anständig, schafft Reserven»

BMW-Senior Sutter kam in all den Jahren hinter dem Steuer nie in eine brenzlige Situation, sagt er. Warum crashen so viele junge Fahrer? «Vielfach überschätzen sie sich. Ob solche Personen charakterlich geeignet sind, das kann ich nicht beurteilen. Sonst müsste man ja immer ein psychologisches Gutachten erstellen.»

Sutter redet den Jungen ins Gewissen: «Fahrt anständig, schafft Reserven, habt eine gute Voraussicht, damit ihr frühzeitig Gefahren erkennen könnt, und geht bei der Geschwindigkeit nicht ans Limit!»

Der Bündner Malte P. hat seine Lektion gelernt, wie er gegenüber Blick versichert: Heute fahre er «nicht mehr so schnell». Der Autohändler hat wegen seiner Verkehrsdelikte «zwischen 25’000 und 35’000 Franken» ausgegeben – noch vor seinem pendenten Gerichtsfall. Und P. hat sich mittlerweile einen Jaguar S-Type R mit knapp 400 PS angeschafft, wieder mit Heckantrieb. Wann seine Gerichtsverhandlung stattfindet – und wie es den Insassen des Autos geht, das er 2020 abgeschossen hat – bleibt unklar.

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