Löst endlich unsere Fesseln!
Sadomaso-Studios wollen Lockerungen durchpeitschen

Corona-Flaute im Erotikgewerbe. Der Bund verbietet sämtlichen Betrieben, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Trotz Schutzkonzept. S.K., die Besitzerin mehrerer BDSM-Studios fühlt sich unfair behandelt. Schliesslich dürfen Massagesalons ihren Kunden ebenfalls nah kommen.
Publiziert: 13.05.2020 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2021 um 21:10 Uhr
Anastasia Mamonova

Coiffeure, Kosmetikerinnen und Masseure haben seit zwei Wochen wieder alle Hände voll zu tun. Unter der Einhaltung der Schutzmassnahmen dürfen sie nach wochenlangem Lockdown ihre Arbeit aufnehmen.

Anders sieht es in der Erotikbranche aus. Aktuell sind sexuelle Dienstleistungen mit Körperkontakt bis auf weiteres verboten. Doch Sexgewerbe ist nicht gleich Sexgewerbe.

Sexgewerbe fordert Happy End
3:03
Sex Nein, Massagen Ja:Sexgewerbe fordert Happy End
Betreiber von BDSM-Studios sind sauer auf den Bundesrat.
Foto: Zvg
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«Auspeitschen oder Strombehandlungen möglich»

S. K.* (58) betreibt die BDSM-Studios Residenz Hekaté und BDSM-Palace in Baden AG und Zürich. Sie findet die Entscheidung des Bundes unfair. «Unsere Dienstleistungen, die das Schwergewicht Fetisch haben, können wie bei den Massagestudios – mit vergleichbarer Nähe und Interaktion – sehr wohl unter der Einhaltung des Schutzkonzeptes durchgeführt werden», sagt sie zu BLICK.

So habe es bereits vor Corona Praktiken gegeben, die keinen direkten Körperkontakt erfordern. «Dazu gehören dominante Erziehung ohne Körperkontakt, verbale Erniedrigungen, Auspeitschen, Käfighaltung, Strombehandlungen oder Vakuumspiele», erklärt die Geschäftsinhaberin. Auch sogenannte Transformationen, bei denen sich Kunden mithilfe von Schminke und Verkleidung ins andere Geschlecht verwandeln, wären denkbar. «Da geht es ja nicht um Sex, sondern um Repräsentation.»

«Frauen tragen ohnehin oft Masken»

Alles, was in die gewöhnliche erotische Richtung gehe, würde hingegen wegfallen: «Da will ich selbst gar kein Risiko eingehen.» Dienstleistungen, die Körperkontakt oder gar extreme Praktiken wie Blut oder «Natursekt» müssten natürlich wegfallen.

Die Sexarbeiterinnen könnten die Hygiene-Regeln einwandfrei einhalten. «Unsere Frauen tragen oft ohnehin schon Ganzkörperanzüge und Latexmasken.» Hygienemasken seien für Mitarbeiterinnen und Kunden während der ganzen Zeit obligatorisch. «Abgesehen davon waren unsere Besucher schon immer verpflichtet, vor und nach der Dienstleistung zu duschen.»

Entscheid der Behörden «unverständlich»

K. legte den Behörden ihr umfassendes Schutzkonzept vor, erhielt jedoch eine Abfuhr. «Unser Unternehmen wird durch die Behörden als Erotikbetrieb eingestuft. Wir fallen einer übergeordneten, administrativ definierten Branchenbezeichnung zum Opfer. Dabei läuft bei uns niemand nackt rum, und es gibt weder spontane Besuche noch Massenansammlungen wie in Saunaclubs.»

Die meisten Kunden seien Langzeitgäste, die mehrere Stunden im Studio verweilen. «Wir werden stets in die Schmuddelecke gesteckt, dabei entspricht das einfach nicht der Realität», ärgert sich S. K.

BAG evaluiert laufend

Beim BAG heisst es auf Anfrage von BLICK: «Die Lockerungsschritte des Bundesrats sind abgestimmt auf das Risiko für Übertragungen von Sars-CoV-2, mit dem Ziel, enge Personenkontakte in der Anfangsphase der Lockerungen möglichst zu minimieren.» Leider könnten nicht alle Branchen gleichzeitig von diesen Lockerungsschritten profitieren.

Es sei allerdings möglich, dass die Lockerungen für diese Branchen bereits früher als geplant eintreten. Das sei abhängig von der Entwicklung der Epidemie und werde «laufend evaluiert».

Für K. eine unbefriedigende Antwort. «Ich bin kein Mensch, der sich vertrösten lässt. Ich habe vier Anwälte engagiert und kämpfe weiter.» Sie sorge sich auch um die Zukunft der Frauen, die im Gewerbe tätig sind. «Ohne ein legales und kontrolliertes Umfeld in Studios bieten viele Sexarbeiterinnen ihre Dienstleistungen ohne Schutzvorkehrungen trotzdem in Privatwohnungen oder Hotels an, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dies ist absolut kontraproduktiv.»

* Name bekannt

Das sagt die Fachstelle Xenia

Die Berner Fachstelle Xenia berät Sexarbeitende. Sprecherin Christa Ammann sagt, es brauche eine faire Bewertung der Schutzkonzepte. Denn die Dienstleistungen, die Dauer und Art des Körperkontakts, die Arbeitsräumlichkeiten, Anzahl Kundenkontakte usw. unterscheiden sich stark. «Es ist nicht haltbar, dass sämtliche erotische Dienstleistungen unter dem Begriff ‹Prostitution› gleich behandelt werden.»

Laut Ammann bräuchte es eine «differenzierte und neutrale Sichtweise» sowie schrittweise Lockerungen auch für diese Branche. Man müsse wertfrei beurteilen können, ob eine Sexarbeiterin, die pro Tag kaum mehr als zwei Kunden hat und mit Schutzkonzept arbeitet, tatsächlich einem höheren Risiko ausgesetzt ist, als ein Pendler, der eine Stunde im ÖV verbringt. Oder ob eine Domina, die je nach dem kaum Körperkontakt habe, gefährdeter sei, als jemand, der andere personenbezogene Dienstleistungen anbiete.

Sie fordert: «Gibt es aus epidemiologischer Sicht kein höheres Ansteckungsrisiko als zum Beispiel bei klassischer Massage, muss eine Öffnung möglich sein.» Die Fachstelle stehe derzeit mit verschiedenen Behörden in Kontakt, um «sinnvolle Lockerungen und eine differenzierte, neutrale Beurteilung zu erwirken.»

Die Berner Fachstelle Xenia berät Sexarbeitende. Sprecherin Christa Ammann sagt, es brauche eine faire Bewertung der Schutzkonzepte. Denn die Dienstleistungen, die Dauer und Art des Körperkontakts, die Arbeitsräumlichkeiten, Anzahl Kundenkontakte usw. unterscheiden sich stark. «Es ist nicht haltbar, dass sämtliche erotische Dienstleistungen unter dem Begriff ‹Prostitution› gleich behandelt werden.»

Laut Ammann bräuchte es eine «differenzierte und neutrale Sichtweise» sowie schrittweise Lockerungen auch für diese Branche. Man müsse wertfrei beurteilen können, ob eine Sexarbeiterin, die pro Tag kaum mehr als zwei Kunden hat und mit Schutzkonzept arbeitet, tatsächlich einem höheren Risiko ausgesetzt ist, als ein Pendler, der eine Stunde im ÖV verbringt. Oder ob eine Domina, die je nach dem kaum Körperkontakt habe, gefährdeter sei, als jemand, der andere personenbezogene Dienstleistungen anbiete.

Sie fordert: «Gibt es aus epidemiologischer Sicht kein höheres Ansteckungsrisiko als zum Beispiel bei klassischer Massage, muss eine Öffnung möglich sein.» Die Fachstelle stehe derzeit mit verschiedenen Behörden in Kontakt, um «sinnvolle Lockerungen und eine differenzierte, neutrale Beurteilung zu erwirken.»

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