Falscher Impftoter (†91) gemeldet – Altersheim über umstrittenen Arzt
«Wir schätzten ihn sehr – bis Corona kam»

Wegen Streit über Corona-Massnahmen kam es im Altersheim Höchweid in Ebikon LU im Sommer zum Krach mit dem Heimarzt. Zwei Tage bevor Andreas H. (52) seinen Dienst quittierte, verbreitete der Corona-Skeptiker Fake-News über einen vermeintlichen Impftoten im Heim.
Publiziert: 04.01.2021 um 16:16 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2021 um 13:15 Uhr
Corona-Skeptiker-Arzt Andreas H. (52) verbreitete die Nachricht von einem angeblich ersten Impf-Toten in der Schweiz. Der Zusammenhang zwischen Impfung und Tod wurde später von Swissmedic dementiert.
Foto: Zvg
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Céline Trachsel

«Erster Impftoter nach der Covid-Impfung» – diese Nachricht verbreitete sich einen Tag vor Jahresende rasend schnell in der Schweiz. Auch weitere europäische Medien nahmen die Meldung auf. Ein 91-Jähriger aus einem Altersheim in Ebikon LU wurde an Heiligabend mit dem Covid-Impfstoff von Pfizer/Biontech geimpft und ist fünf Tage später verstorben. Der Heimarzt des dementen Patienten hatte die Nachricht der Corona-Skeptiker-Zeitschrift «Zeitpunkt» gesteckt und implizierte den Tod als Folge der Impfung.

Am selben Tag, als sich die Nachricht des vermeintlichen Impftoten verbreitet hatte, dementierte Swissmedic: Es gebe bisher keinen bestätigten Zusammenhang zwischen der Impfung und dem fünf Tage später eingetretenen Tod. Dem BLICK sagte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi: «Der Mann hatte ein hohes Alter und mehrere, schwere Vorerkrankungen.»

Arzt ist Corona-Skeptiker

Bald wurde klar: Der Heimarzt, der einen Zusammenhang zwischen Impfung und Tod seines betagten Patienten impliziert hatte, ist selber Corona-Skeptiker. Wie BLICK aufdeckte, gehört Andreas H.* (52) der Vereinigung Aletheia an, die auf Telegram aktiv ist. Aletheia verbreitet laut eigenen Angaben «weiterführende Informationen», die angeblich «von den offiziellen Stellen und den Leitmedien nicht publiziert werden».

Den Job als Heimarzt ist der 52-Jährige ohnehin los. Wie der «Tagesanzeiger» berichtet, hatte das Altersheim Höchweid die Zusammenarbeit mit Andreas H. bereits im Sommer beendet. Dies wegen Differenzen über die Schutzmassnahmen. Die Kündigung ging allerdings von Andreas H. aus. Sein Vertrag lief Ende 2020 aus. Just zwei Tage vorher hatte sich der Todesfall des 91-Jährigen ereignet.

Aus der Krankenakte zitiert und Nachricht per Mail verbreitet

Berufskollegen kritisierten daraufhin öffentlich H.'s Vorgehen. Einerseits sein Kommunikationsverhalten, andererseits, dass er beim Patienten womöglich Symptome eines Harnwegsinfekts übersah und keine Antibiotika verschrieb.

Laut «Tagesanzeiger» hat Andreas H. den Fall per Mail unter Corona-Skeptikern verbreitet. Dabei zitierte er gar aus der Krankenakte des Patienten. Andreas H. ist in der Szene kein Unbekannter: Bei mehreren öffentlichen Auftritten sprach er sich öffentlich gegen die Covid-Massnahmen des Bundesrats aus, auch gegen die Maskentragpflicht. Er wurde zum gefragten Redner.

Gegen den Ebikoner Arzt läuft derzeit ein Aufsichtsverfahren der Luzerner Gesundheitsdirektion. Diese bestätigt den Fall. Doch David Dürr, Leiter Dienststelle Gesundheit und Sport, sagt: «Zu laufenden Verfahren geben wir keine Auskunft, ebenso nicht zu allfälligen weiteren Massnahmen.»

Masken-Atteste ohne Konsultationen

Laut «Tagesanzeiger» geht es um falsche Masken-Atteste. Der Ebiker Arzt hält Masken für so unnütz, so dass er Skeptikern auf Anfrage auch ungesehen ein Attest ausstellt.

Zu BLICK mochte sich Andreas H. bisher nicht äussern. Auch bei einem persönlichen Besuch in seiner Praxis war er sich nicht zu sprechen und liess die Journalisitin von einer Praxisassistentin, die keine Maske trug, abwimmeln.

Heim hatte persönlich nichts am Arzt auszusetzen

Dafür nahm das Alterszentrum Höchweid Stellung zum ehemaligen Heimarzt. «Wir haben fast elf Jahre eine sehr konstruktive, gute, wertvolle Zusammenarbeit gepflegt», so Zentrumsleiterin Marianne Wimmer. Auf persönlicher Ebene sei dem Arzt nichts vorzuwerfen – im Gegenteil, man schätzte ihn sehr. «Bis Corona kam», sagt Wimmer.

Weil die unterschiedlichen Ansichten die Zusammenarbeit zunehmend belastete und die vom Bund und Kanton beschlossenen Massnahmen wiederholt zu Grundsatzdiskussionen geführt hatten, reichte Andreas H. im Sommer die Kündigung ein.

Marianne Wimmer: «Diese Kündigung habe ich anerkannt und bestätigt. In einem nachfolgenden Gespräch haben wir die Standpunkte nochmals gegenseitig offengelegt und die Erwartungen der Zusammenarbeit bis zum Ende der Kündigungsfrist thematisiert.» Vereinzelt kam es aber auch danach noch zu Diskussionen.

Rechtliche Schritte werden geprüft

Im Zusammenhang mit den Impfvorbereitungen habe die Teamleitung den Heimarzt kontaktiert. Dieser betonte, die Corona-Schutzimpfung grundsätzlich nicht zu empfehlen. Da er aber in Kürze nicht mehr für die Institution zuständig sei, sei dies mit seiner Nachfolge zu klären.

Über den Todesfall des 91-Jährigen will Wimmer keine Stellung nehmen. «Jetzt sollen die Angehörigen in Ruhe trauern dürfen, ohne immer über den Fall lesen zu müssen.»

Persönlichkeitsschutz sei ein wichtiges Thema im Zentrum Höchweid. Ob Andreas H. dagegen verstossen hat und ob vom Heim rechtliche Schritte eingeleitet werden, kann Wimmer noch nicht beantworten. «Das werde ich mit der Trägerschaft besprechen müssen. Für mich ist einfach wichtig zu betonen, dass unsere Gedanken fest bei trauernden Angehörigen sind.»

* Name der Redaktion bekannt.

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