«Viele meiner Kollegen halten das nicht mehr aus»
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Arzt im SRF über Lage:«Viele meiner Kollegen halten das nicht mehr aus»

Intensivmediziner spricht im SRF über dramatische Lage
«Viele meiner Kollegen halten das nicht mehr aus»

Gänsehaut-Moment in der SRF-Arena: Der Intensivmediziner Martin Balmer schildert den Zuschauern die aktuelle Lage am Kantonsspital Aarau.
Publiziert: 19.12.2020 um 13:06 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2020 um 13:32 Uhr
Martin Balmer schildert in der SRF-Arena die dramatische Lage am Kantonsspital Aarau.
Foto: Screenshot SRF
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Martin Balmer spricht mit ruhiger Stimme, kraftlos – immer wieder holt er tief Luft. Der Arzt und Leiter Intensivmedizin am Kantonsspital Aarau ist müde. Wie so viele Angestellte im Gesundheitswesen. Im Interview mit dem SRF-«Arena»-Moderator Sandro Brotz sagt er: «Ich habe noch nie so viele Ärzte und Pflegende weinen sehen.»

Erst am gestrigen Freitag mussten Balmer und sein Team den Aufwachraum des Kantonsspitals zur Intensivstation umfunktionieren. Denn die Betten auf der eigentlichen Station waren alle voll, und verlegen konnte man die Intensivpatienten nicht. Die neue Intensivstation wird nun mit vier Patienten belegt. Aber mit dem gleichen Personal betrieben.

Martin Balmer trägt eine Schürze und eine FFP2-Maske. Auf der Intensivstation ist das Vorschrift. «In dieser Kleidung sind Sie nach 30 Minuten nass», sagt er.

Personal schiebt Doppelschichten

Und in dieser Kleidung schieben er und seine Mitarbeiter teils Doppelschichten: «Am Dienstag haben wir praktisch innerhalb von einer Stunde drei schwerstkranke Covid-Patienten bekommen, die haben je über acht Stunden zwei Pflegende vollumfänglich in Anspruch genommen. Ich persönlich habe dann auch eine Schicht übernommen. Aber in der Mehrzahl machen das meine Kolleginnen und Kollegen, die länger bleiben.»

So bleibt dem Personal kaum Zeit, sich zu erholen. Körperlich und psychisch sei der Job aktuell eine riesige Belastung. Balmer: «Viele meiner Kollegen halten das emotional nicht mehr aus.»

Pflegende und Ärzte am Ende ihrer Kräfte. «Sie merken, dass sie die Qualität, die sie bei ihrer Arbeit erbringen wollen, nicht leisten können. Vor allem sehen sie auch kein Ende», erklärt Balmer.

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«Vergesst uns nicht!»

Und wenn man nach draussen schaue, sehe man Menschen, die immer noch sagen, das Ganze sei ein Witz. Die ihre Maske unter der Nase tragen. «Das sind Sachen, die uns den Kopf schütteln lassen, aber auch traurig und wütend machen», sagt Balmer.

Trotzdem geben seine Leute nicht auf. Noch nicht. «Nachdem die neue Intensivstation aufging, haben wir im Whatsapp-Chat geschrieben, dass wir für die nächsten zehn Tage unbedingt Leute brauchen. Innerhalb von ein paar Stunden haben wir so viele Rückmeldungen wie nötig gekriegt, von Menschen, die diese Dienste übernehmen wollen.»

Auf die Frage von Sandro Brotz, was er gerne der Politik sagen würde, antwortet Balmer: «Vergesst uns nicht! Vergesst nicht, was ihr hinter mir im Video seht! Denkt daran, die Schutzmassnahmen einzuhalten.» (hah)

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