Die boxende Lehrerin lässt ihre Fäuste fliegen
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«Hier bin ich in anderer Welt»:Die boxende Lehrerin lässt ihre Fäuste fliegen

«Solche Momente in der Schule sind ein wenig blöd»
Solothurner Lehrerin Céline Brügger erscheint mit blauem Auge zum Elterngespräch

Céline Brügger (26) ist Lehrerin in Hägendorf SO. Und immer mal wieder erscheint sie mit blauem Auge zu Elterngesprächen – oder vor ihrer Schulklasse. Warum, erzählt sie Blick bei einem Gespräch.
Publiziert: 21.02.2024 um 11:54 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2024 um 13:49 Uhr
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Ralph DonghiReporter News

Als Céline Brügger (26) aus Obergösgen SO als Lehrerin zu einem Elterngespräch kommt, staunen die beteiligten Personen nicht schlecht: Sie hat ein blaues Auge. Und: «Es ging beim Gespräch ausgerechnet darum, dass wir an unserer Schule keine Gewalt tolerieren», sagt Brügger im Gespräch mit Blick – und grinst.

Ihr Lachen hat einen guten Grund. Denn: Brügger boxt seit zwei Jahren wettkampfmässig. Und ist bereits amtierende Schweizer Meisterin im Fliegengewicht. Sie weiss: «Solche Momente in der Schule sind ein wenig blöd. Aber sowohl die Schüler, deren Eltern und die Lehrerschaft finden es gut, was ich mache.»

Unterrichten und Kampfsport – passt das zusammen? «Es geht zeitlich gut aneinander vorbei», sagt Brügger. Sie hätte auch nie gedacht, dass sie schon nach zwei Jahren auf der Tour Schweizer Meisterin werde.

Céline Brügger (26) unterrichtet an der Primarschule in Hägendorf SO.
Foto: Ralph Donghi
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Mit Kickboxen gestartet

Brügger wuchs in Lostorf SO auf, unterrichtet seit über vier Jahren an der Primarschule in Hägendorf SO und machte schon als Kind gerne Sport. «Viele gingen nach draussen und machten nicht wirklich etwas», sagt sie. «Ich fing mit 14 mit Kickboxen an.» Eine Schlägerei habe sie nie gehabt. «Wenn man Kampfsport trainiert, dann hat man keine Lust, sich privat zu prügeln.»

Mit 20 habe sie mit dem Boxen begonnen, so Brügger. Alle hätten es gut gefunden. Vor allem auch ihre Kolleginnen hätten sich mit ihr im Ausgang sicherer gefühlt. Einzig ihre Mutter habe keine Freude daran gehabt. «Das ist verständlich. Eine Mutter zieht ihr Kind gross und plötzlich sagt es, dass es in den Ring will.» Inzwischen sei ihre Mutter «ein kleiner Fan» von ihr geworden. Wichtig sei für sie, dass alle in ihrem Umfeld viel Verständnis für ihr zeitintensives Hobby hätten.

Klasse findet das Boxen «mega spannend»

Als Mitglied vom Verein «Classic Boxing» in Olten SO bestreitet die 168-Zentimeter-Frau vor allem Einzelkämpfe oder geht an Turniere im In- und Ausland. Bereits im vorletzten Jahr wurde sie Vize-Schweizer-Meisterin im Fliegengewicht (bis 52 kg). Und: Ende letzten November holte sie sich schliesslich den Titel.

Und was sagt ihre 2. Klasse dazu? «Sie finden es mega spannend, dass ich boxe», freut sich Brügger. Wenn sie manchmal mit einem blauen Auge in die Schule komme, seien einzelne Kinder schon irritiert. «Es gab mal die Frage: Frau Brügger, schlagen Sie einander wirklich ins Gesicht?» Sie habe geantwortet: «Ja, schon.»

Box-Ständer im Klassenzimmer

Gleichzeitig würden ihre 20 Schüler von ihr profitieren. Etwa im Turnunterricht, wo gekämpft werde. «Das gehört zum Lehrplan», sagt Brügger. Im Schulzimmer darf sich ihre Klasse zudem spielerisch an einem Box-Ständer austoben. «Ich kann ihnen auch erklären, wie man mit Niederlagen im Leben umgehen oder über seine Grenzen hinauswachsen kann.»

Eines bereitet ihr allerdings Sorgen. «Boxen ist in der Schweiz immer noch eine Randsportart.» Sie müsse das meiste selber bezahlen – oder ihr Boxclub. «Für den Schweizer-Meister-Titel habe ich gerade mal 150 Franken Preisgeld bekommen.» Sie fände es gut, wenn die Staatsgelder im Sport auch auf den Boxsport verteilt würden.

Sie möchte mit Mike Tyson trainieren

Brügger kann sich gut vorstellen, als Lehrerin kürzerzutreten. Im Moment trainiere sie jeden Tag, ausser am Samstag. Verletzungsangst habe sie nicht. «Wir tragen ja einen Kopf- und einen Zahnschutz.» Ihre Nase sei noch nie gebrochen worden. Sie sei auch noch nie K.o. gegangen. Nur einmal habe sie einen Leberhaken abbekommen, «der meinen Körper kurz komplett abgestellt hatte». Und: Im Training mit ihrem Freund, der noch nicht wettkampfmässig boxe, habe sie sich mal an einer Hand verletzt. «Frauen schlagen teils eben rabiater drein als Männer.»

Einen Boxer findet sie besonders interessant: Mike Tyson. «Ich würde gerne mal mit ihm trainieren.» Auf einen Kampf gegen ihn würde sie sich aber nicht einlassen. Bei ihrem grossen Ziel zeigt Céline Brügger jedoch keine Zurückhaltung: «Ich will Europameisterin werden!» Die schnellen Fäuste dazu hat sie jedenfalls.

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