«Rassismus entsteht im Herzen und nicht wegen eines Worts»
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Mohren-Wirt Hasan Güven:«Rassismus entsteht im Herzen»

Mohren-Restaurants, Wappen, Gemeinden
Müssen die jetzt alle weg?

Mohren sind in der Schweiz weitverbreitet: In Gemeinde-Namen und Wappen, an der Fasnacht oder bei Restaurants. Und das soll auch so bleiben, heisst es aus den Gaststuben und Gemeindehäusern. BLICK hat sich umgehört.
Publiziert: 11.06.2020 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2020 um 12:43 Uhr
Ralph Donghi, Anian Heierli, Marco Latzer, Nicolas Lurati, Michael Sahli

Migros setzt ein Zeichen und nimmt nach Rassismusvorwürfen Mohrenköpfe aus dem Gestell. Mit dem Schritt wird eine langjährige Debatte neu angeheizt. Es sind aber nicht nur die Süssigkeiten, die sauer aufstossen. Auch Beizen, die das Wort «Mohr» im Namen haben, sind immer wieder Thema. An der Basler Fasnacht gab es Shitstorms für Namen von Cliquen und Guggen wie «Negro-Rhygass» oder eben «Mohrekopf». Und so manche Gemeinde trägt im Wappen einen Mohren mit dicken Lippen und Ohrringen. Und hat die ständige Diskussion darüber satt.

Den Gasthof zum Mohren am Mohrenplatz in Willisau LU gibt es seit 450 Jahren. Heute wirtet dort der Türke Hasan Güven (37). Er kann der Mohren-Diskussion nichts abgewinnen: «Hier gab es nie Rassismus gegen mich als Türken. Und auch über den Namen des Lokals hat sich nie jemand beschwert», sagt er. «Das ist halt Tradition.»

«Mohrenköpfe gehören zur Schweizer Kultur»

Er witzelt: «Türkei heisst auf Englisch Turkey. Und genau so heisst auf Englisch auch der Truthahn. Deswegen sind wir Türken auch nicht beleidigt.» Fazit: «Rassismus entsteht im Herzen und nicht wegen eines Worts.»

Die Mohren-Debatte beschränkt sich nicht auf die Süssigkeit aus dem Hause Dubler.
Foto: Thomas Benkö
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Heiner von Arx (67), seit 41 Jahren Küchenchef im Restaurant Mohr in Trimbach SO, lässt Kritik nicht gelten: «Eine Familie Mohr hat vor etwa 80 Jahren dieses Restaurant aufgebaut. Der Name hat auch absolut nichts mit Rassismus zu tun.» Auch zur Mohrenkopf-Debatte sind im Lokal die Meinungen gemacht, sagt ein Stammkunde: «Mohrenköpfe gehören zur Schweizer Kultur.»

Im kleinen Weiler Mohren im Kanton Appenzell-Ausserrhoden, der zur Gemeinde Reute gehört, sieht man das ähnlich. Dass die Mohrenkopf-Debatte auf den Ortsnamen überschwappen könnte, glauben die Einheimischen nicht. «Es wäre absurd, unser schönes Mohren umzubenennen», sagt Rentner Hans Graf (70). Seit über vier Jahrzehnten lebe er hier oben, von Rassismus habe aber nie jemand gesprochen.

Gemeindewappen aus Schriftstücken verbannt

«Der Name Mohren hat mit grösster Wahrscheinlichkeit einen anderen Hintergrund», sagt auch Gemeindepräsident Ernst Pletscher (57). So könnte der Name auf eine Berufsbezeichnung (Schweinezüchter) oder eine Familie Mohr, die dort einst gelebt haben könnte, zurückzuführen sein. «Wir würden Mohren nur umbenennen, wenn uns die Verfassung dazu zwingt», sagt Pletscher klipp und klar.

In Möriken-Wildegg AG hat man ein Gemeindewappen, das zum Namen passt: ein Schwarzer mit dicken Lippen und runden Ohrringen. Die Diskussion um das Emblem hat man hier offenbar schon satt. Im Gemeindehaus will sich dazu niemand äussern. Auf der Homepage heisst es aber: «Der Kopf des Mohren kam aus einer volkstümlichen Deutung des Namens Möriken ins Wappen und ist bereits auf einem 1592 im Lindwald gesetzten Marchstein überliefert.» Die Aargauer Gemeinde ist bei weitem nicht die einzige in der Schweiz mit Mohren-Wappen.

Ganz ähnlich sehen die Fahnen in Oberweningen ZH aus. Die Zürcher Gemeinde erlebte wegen des Emblems gehässige Diskussionen in Leserbriefspalten, sogar eine kleine Demonstration gab es vor einigen Jahren. «Für uns ist der Mohr auch heute noch das Identifikationssymbol, mit dem wir nur erfreuliche Gefühle verbinden», schreibt Gemeindeschreiber Kaspar Zbinden dazu. Es handle sich wahrscheinlich um den heiligen Mauritius. «Trotzdem stösst es bei auswärtigen Personen zwischendurch auf Befremden, dessen sind wir uns bewusst.» Deshalb benutze man für Schriftstücke schon lange ein anderes Emblem.

Rassismus an der Fasnacht?

Die Basler Fasnacht war ebenfalls schon für einige Skandale gut. Die Fasnachtsclique Negro-Rhygass löste eine nationale Debatte aus. Auch der Obmann der Mohrekopf-Gugge, Johann Witgert (48), hatte Ärger wegen des Namens. Die Facebook-Seite wurde gesperrt. Die Gugge sehe aber keinen Anlass, etwas zu ändern. «Auch jetzt nicht, nachdem die Debatte über die Namensnennung der Dubler-Mohrenköpfe angestossen wurde. Wir kommen gar nicht auf die Idee, im Namen unserer Gugge etwas Rassistisches zu sehen – sonst wären gewiss keine Fasnächtler mit dunkler Hautfarbe bei uns Mitglied gewesen», so Witgert. Der Stoff für zukünftige Skandale und Debatten dürfte also nicht so schnell ausgehen.

Das bedeutet das Wort «Mohr»
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Blick TV erklärt:Das bedeutet das Wort «Mohr»
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