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Monsieur Nonchalant
BAG steht in der Kritik – aber Berset glänzt

Das Bundesamt für Gesundheit macht einmal mehr eine schlechte Falle. Doch sein oberster Chef entschwebt jeglicher Kritik.
Publiziert: 28.03.2021 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2021 um 13:02 Uhr
Tobias Marti und Camilla Alabor

Nichts deutete darauf hin, dass dies eine gute Woche für Bundesrat Alain Berset werden könnte. Ganz im Gegenteil.

Am Dienstag deckte das Online-Magazin «Republik» haarsträubende Sicherheitsmängel der Plattform meineimpfungen.ch auf: Die persönlichen Daten von Hunderttausenden Schweizern liessen sich mit einfachsten Mitteln ausspionieren und sogar fälschen. Ein Datendebakel, das auch für den elektronischen Covid-Impfpass nichts Gutes verheisst. Adieu, Sommerferien im Ausland?

Der Bund steht direkt in der Verantwortung. Denn die Stiftung, die meineimpfungen.ch betreibt, arbeitet im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und erhält dafür Hunderttausende Franken aus Steuermitteln.

Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit, weist jede Verantwortung für das Daten-Debakel bei der Plattform Meineimpfungen.ch von sich.
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In Bern will dennoch niemand so richtig gewusst haben, in wessen Auftrag da eigentlich am elektronischen Impfausweis herumgewurstelt wurde. Das BAG sei nur ein Partner unter vielen gewesen, redete sich dessen Direktorin Anne Lévy am Mittwoch vor den Medien heraus. Auf die Frage, ob man als Geldgeber nicht doch eine gewisse Verantwortung trage, wiegelte Lévy ab: Bei den Betreibern handle es sich um eine private Stiftung.

Pleiten, Pech und Pannen

Ein Impfpass, der floppt; heikle Personendaten, die ungeschützt blieben; Verantwortung, die abgeschoben wird: Gutes Regierungshandeln in der Corona-Krise sieht anders aus.

Doch als der oberste Krisenmanager des Landes tags darauf vor die Medien trat, war all das bereits Schnee von gestern. Alain Berset verlor kein Wort über Pleiten, Pech und Pannen der vergangenen Tage. Stattdessen präsentierte der Gesundheitsminister die gute Nachricht: Acht Millionen zusätzliche Impfdosen bis Juli!

Launig führte Berset durch die Medienkonferenz, entschuldigte sich charmant für sein Versäumnis, dem Publikum die Experten vorzustellen, und liess Impfdosen-Beschafferin Nora Kronig noch rasch ausrechnen, wie viele Dosen die Schweiz nun wirklich bis Ende Juli auf sicher hat. Ein Detail, das im BAG offenbar untergegangen war.

Dickes Lob von Seiten der Pharmaindustrie

An den Mikrofonen flankiert wurde Berset von jenen Heilsbringern, die der Schweiz den ersehnten Stoff endlich verschaffen sollen. Sabine Bruckner, Pfizer-Schweiz-Chefin, und Dan Staner, Moderna-Schweiz-Chef, waren kaum zu bremsen vor lauter Lob und Dank an die Adresse der Behörden.

Berset schien die Show und das öffentliche Bauchpinseln zu geniessen. Auch wenn das Lob der Pharmafirmen wohl eher Impfstoff-Beschafferin Nora Kronig galt, war er es, der oben auf dem Podium glänzte. Und obwohl sich erst noch herausstellen muss, ob Berset zu Recht auf Pfizer und Moderna gesetzt hat, versprachen deren Chefs an seiner Seite vollmundig «Millionen Dosen». Verantwortung, elegant abgegeben.

In der allgemeinen Zufriedenheit ging beinahe unter, dass das Impfziel still und leise nach hinten verschoben worden ist. «Bis Ende Juni werden wir genug Impfstoffe haben, um jenen Teil der Bevölkerung zu impfen, der sich impfen lassen will», hatte Berset kürzlich versprochen. Neu heisst es: Alle, die sich impfen lassen wollen, erhalten die erste Dosis bis Ende Juni. Für die zweite Spritze wird es nun Ende Juli.

Schönwetter-Bundesrat

Bersets Auftritt kommt einer kommunikativen Meisterleistung gleich. Denn die gute Nachricht ist einmal mehr eine Ankündigung, während die schlechten Nachrichten jeweils Untergebene ausbaden dürfen. Oder Kantone, die an den sehr optimistischen Zielvorgaben des Bundes scheitern.

Denn Alain Berset, Maestro der Allgemeinplätze, verbreitet lieber frohe Kunde. So wie gestern Samstag, als er in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF versprach, dass die Selbsttests bereits ab 7. April verfügbar seien, «eine Woche früher als gedacht».

Zugleich zeigte der Freiburger in der Sendung sein Talent als Politiker und Krisenkommunikator. Bei kritischen Fragen blieb er locker, lachte und schien überhaupt ungemein viel Spass zu haben. Seine wesentliche Botschaft: Ich bleibe auch in der Krise souverän. Es ist wohl diese Mischung aus Ernst und Lockerheit, die Bersets Popularität im Volk erklärt.

Dazu gesellt sich die unschätzbare Fähigkeit, seine Aussagen stets so vage zu formulieren, dass sie ihm später nicht auf die Füsse fallen – aber dennoch Hoffnung wecken.

So wie am Donnerstag: Ja, im Bundesrat mache man sich bereits Gedanken über mögliche Lockerungen, wenn das Impfen vorankomme. Noch hat Berset ja nichts versprochen. Es tönte nur irgendwie so.

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