«Neue Strafprozessordnung ist schuld»
Warum war Jeton G. nicht im Knast?

Der mutmassliche Killer von Türsteher Boris R. (†30) war den Behörden als brutaler Gewalttäter bekannt. Trotzdem befand sich Jeton G. auf freiem Fuss. Wie ist das möglich?
Publiziert: 09.03.2015 um 13:26 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:13 Uhr
Sitzt weiter in U-Haft: Jeton G.
Foto: KAPO Zürich
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Fast sechs Tage befand sich Jeton G. (31) auf der Flucht. Am Samstag schnappte ihn die Polizei.  Der eingebürgerte Kosovo-Albaner wird dringend verdächtigt, am Sonntag vor einer Woche den Türsteher Boris R. (†30) in Zürich Affoltern erschossen zu haben.

Klar ist: Beim mutmasslichen Killer handelte es sich um eine tickende Zeitbombe.

Er ist fünffach vorbestraft – unter anderem wegen Gewaltdelikten. Das Bezirksgericht Zürich hatte ihn im vergangenen Dezember zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Weil er gegen das Urteil Rekurs einlegte, blieb er auf freiem Fuss.

Haben die Behörden versagt?

Wie kommt es, dass ein verurteilter Schläger mit mehreren Vorstrafen nicht im Knast sitzt? Haben die Richter es verpasst, die Gesellschaft von einem vorbestraften Schläger wie Jeton G. zu schützen?

«Die Schuld trägt unsere neue Strafprozessordnung», sagt Strafrechtler Martin Killias zu Blick.ch. Diese ist 2011 in Kraft getreten. Seitdem ist es für die Behörden schwieriger geworden, einen verurteilten Straftäter wegen drohender Wiederholungsgefahr in U-Haft zu nehmen, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Früher wäre in schweren Fällen Fluchtgefahr angenommen worden, aber das geht heute kaum mehr.

«Solange ein vorbestrafter Gewalttäter niemanden ernsthaft bedroht, können ihn die Behörden nicht in U-Haft nehmen», sagt Killias.

Jeton G. drohte auf Facebook

Doch genau dies war der Fall bei Jeton G. Zwei Tage vor der Tat schrieb er auf das Facebook-Profil seines Opfers Boris R.: «boris ich fick dis läbe (…) chum zu dim albtraum ich wird die letzte sekunde si wo du i dim läbe wirsch ha du hundesohn.» Offensichtlich haben die Behörden dies aber nicht gesehen.

Unbehelligt blieb Jeton G. auch schon zuvor: Der mutmassliche Killer lebte bis zu den tödlichen Schüssen auf Boris R. von illegalen Geschäften und der Sozialhilfe.

Obwohl er den Behörden als Straftäter und unzuverlässiger Sozialamt-Klient negativ aufgefallen war, bekamen er und seine Familie bis zu 5000 Franken Sozialhilfe im Monat – insgesamt 200 000 Franken. Zwar kürzte ihm die Gemeinde Regensdorf ZH die Unterstützung um 15 Prozent – doch Jeton G. schien das offenbar nicht gross zu stören.

Der Gangster leistete sich nicht nur einen grauen Jaguar. Er liess es sich auch sonst gut gehen: Ein Bild auf seinem Facebook-Profil zeigt Jeton G. beim Baden im Hotelpool des Swisshôtels in Zürich Oerlikon. Von Sorgen keine Spur. (vsc)

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