Foto: Thomas Meier

«Nie den Rücken zukehren»
Erfahrene Domina äussert sich zum Fall Diethelm

Die St. Gallerin Andrea Rindisbacher (44) ist eine erfahrene Domina. Sie weiss, dass man in ihrem Beruf in gefährliche Situationen geraten kann. Solche Situationen, wie sie in der Anklageschrift dem Schwyzer Kantonsrat Bernhard «Beni» Diethelm vorgeworfen werden.
Publiziert: 29.06.2023 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2023 um 13:39 Uhr
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Sebastian BabicReporter Blick

Gemäss Anklageschrift soll der Schwyzer SVP-Kantonsrat Bernhard «Beni» Diethelm (40) 2021 mutmasslich eine Domina heftig gewürgt haben und anschliessend versucht haben, sie mit einer «unbekannten Substanz» zu betäuben. Kommenden Montag steht er unter anderem deswegen vor Gericht. Schon am Mittwoch nahm Diethelm im Schwyzer Rathaus Stellung. Aus seiner Sicht käme die Anklageschrift «einseitig und völlig überrissen» daher. Sie beruhe allein auf den Behauptungen der Klägerin. Und er sagte: «Mein Sexleben gehört mir und gehört nicht in die Öffentlichkeit.»

Die erfahrene Domina Andrea Rindisbacher (44) aus St. Gallen weiss, dass die eigene Sicherheit bei Sexarbeiterinnen ein Dauerthema ist. Auch wenn sie, laut eigener Aussage, nur selten gefährliche Situationen erlebt hat. Sie rät jüngeren Kolleginnen zur Vorsicht: «Nie, nie, nie, dem Gast den Rücken zukehren. Das ist eine eiserne Regel, die man nicht brechen sollte. Selbst wenn der Gast in der Dusche ist, sollte er danach von der Domina in Empfang genommen werden. Man darf auch nie die Kontrolle abgeben.»

«Privates hat mit der Politik nichts zu tun»
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SVP-Kantonsrat zu Vorwürfen:«Privates hat mit der Politik nichts zu tun»
Die erfahrene St. Galler Domina Andrea Rindisbacher (44) zeigt sich schockiert über die Anklage im Fall Bernhard Diethelm.
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«Man einigt sich auf Rahmenbedingungen»

Als Aussenstehende möchte sich Rindisbacher zum Fall Diethelm kein Urteil anmassen: «Es ist unheimlich schwer, das Ganze von aussen zu beurteilen. Aus meiner Erfahrung heraus gibt es zwei Erklärungen für so gewalttätiges Verhalten: Entweder kam es während des Aktes zum Streit oder es handelt sich um einen Frauenhasser.»

Um sich selbst zu schützen, geht Rindisbacher in ihrem Arbeitsalltag immer gleich vor: «Bei mir wird im Voraus telefoniert, man trifft sich und einigt sich auf die Rahmenbedingungen. Bevor das Geld übergeben wird, macht man ab, was erwartet wird. Danach verstaue ich das gezahlte Geld, führe den Gast in die Folterkammer – und das Spiel geht los.»

Unter vier Augen

Auch Rindisbacher erlebte in der Vergangenheit Situationen, bei denen sie sich in ihrer Haut unwohl fühlte. «Wenn es unangenehm wird, versuche ich immer, ruhig zu bleiben und auf der psychologischen Ebene Einfluss zu nehmen. Man darf nicht aggressiv werden. Vielmals lenke ich auch ab und sage, dass ich noch einen Anruf erwarte, die Chemie zwischen uns nicht passt oder Ähnliches. Dann gebe ich das Geld zurück und bitte den Gast freundlich, zu gehen.»

Dennoch lässt sie der kolportierte Preis von 4200 Franken für fünf Stunden für die besagte Domina-Session stutzen. Laut Rindisbacher läge der «normale» Preis für eine Stunde mit einer Domina in Zürich bei rund 450 Franken: «Ich frage mich wirklich, was hier abgemacht wurde.»

Von aussen liesse sich die ganze Geschichte aber kaum beurteilen, wie Rindisbacher deutlich festhält: «Es handelt sich immer um eine Angelegenheit zwischen vier Augen.» Eine abschliessende Beurteilung des Falls obliegt also dem Gericht.

Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft für Bernhard Diethelm. Für den SVP-Mann gilt die Unschuldsvermutung.


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