Oberste Lehrerin Dagmar Rösler über den Umgang mit kriminellen Schülern
«Heute kommt keine Schule an einem Krisen-Konzept vorbei»

Dagmar Rösler (52) ist Zentralpräsidentin des Verbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Sie spricht über die wachsende Kriminalität an Schulen, den Einfluss von Social Media und klare rote Linien. Auch die Eltern nimmt sie in die Pflicht.
Publiziert: 12.08.2024 um 09:52 Uhr
|
Aktualisiert: 12.08.2024 um 09:56 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_352.JPG
Pascal ScheiberReporter

Dagmar Rösler, wie erleben Sie die steigende Kriminalität an Schulen?

Ja, die Schulen sind von dieser Entwicklung betroffen. Ich stelle fest, dass man heute schneller reagiert als noch vor 20 Jahren. Ein Beispiel: Als in den 90er-Jahren einer meiner Schüler einen Wurfstern mit in die Schule brachte, hielt sich der Aufschrei ziemlich in Grenzen. Heute wäre das anders. Jugendliche haben während der Pubertät eine grosse Baustelle im Kopf. Wir dürfen die Kriminalität an der Schule von Kindern und Jugendlichen aber natürlich nicht verharmlosen. 

Wenn 12- oder 13-Jährige bereits Social Media konsumieren, spüren Sie das in Ihrem Verhalten?

Dagmar Rösler (52) ist Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH).
Foto: Peter Gerber
1/5

Den Einfluss von Social Media spüren Lehrpersonen tagtäglich – im Positiven, wie auch im Negativen. Beispielsweise, wenn Kinder im Zuge des Nahostkonflikts andere Kinder aufgrund der Religion provozieren. Dann müssen Lehrpersonen reagieren und die Sache besprechen. 

Was versuchen Schulen gegen die Kriminalität zu tun?

Heute kommt keine Schule an einem Krisen-Konzept vorbei. Das heisst: Die präventive Arbeit ist sehr wichtig, aber auch das schnelle Reagieren oder Agieren, wenn Probleme an der Schule anschwellen. Schulen müssen klare rote Linien und Regeln aufzeigen und die auch im Schulalltag leben. Die Schulsozialarbeit hat da eine wichtige Schlüsselposition. Doch vieles steht nicht unter der Kontrolle der Schule. Nämlich, wenn die Probleme ausserhalb der Schule im Privaten auftauchen. Das zeigt: Nicht nur Lehrpersonen stehen in der Pflicht. Die Erziehung und Sozialisierung durch die Eltern steht an erster Stelle und hat einen essenziellen Einfluss auf das Verhalten der Kinder und Jugendlichen.

Der Verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz zeigte letztes Jahr in einer Studie, dass zwei von drei Lehrpersonen Gewalt erleben – Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen. Deckt sich das mit Ihrem Eindruck dieser Blick-Recherche?

Es gibt Parallelen. Gemäss unserer Studie haben Lehrpersonen hauptsächlich psychische und praktisch keine physische Gewalt erlebt. Dass ein Jugendlicher verbal ausfällig wird, kann passieren. Die Lehrpersonen berichteten vielmehr von Beschimpfungen und Bedrohungen durch die Erziehungsberechtigten. Was draussen in der Gesellschaft beobachtet wird, macht auch vor der Schule nicht halt. Unsere aktuelle Zufriedenheitsstudie zeigt aber auch, dass die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern gut funktioniert. Das trägt zur Zufriedenheit der Lehrpersonen bei. Das ist sehr erfreulich!

«Hat Ausmass erreicht, wo wir handeln müssen»
6:13
Immer mehr Delikte an Schulen:«Hat Ausmass erreicht, wo wir handeln müssen»
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?