Omikron erfasst die Schweiz – Experten sind einer Meinung
Jetzt kommt die Durchseuchung

Für einmal sind die Experten einer Meinung: Schon in den nächsten Tagen wird Omikron in der Schweiz dominant sein. Die Durchseuchung der Schweiz scheint unaufhaltbar zu sein.
Publiziert: 26.12.2021 um 02:28 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2021 um 14:37 Uhr

Allein in Zürich geht schon weit über die Hälfte der Neuinfektionen auf die mutierte Omikron-Virusvariante zurück. Laut Urs Karrer, Vizepräsident der Covid-Taskforce des Bundes, «ist davon auszugehen, dass Omikron im Raum Zürich inzwischen dominant ist», zitiert ihn die «NZZ am Sonntag». Ein ähnliches Bild zeigt sich in anderen Schweizer Städten. Die Covid-Mutante erfasst die Schweiz. Taskforce-Chefin Tanja Stadler sagte am Samstag auf Anfrage der Zeitung: Omikron werde schon «in diesen Tagen» landesweit die dominante Variante.

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«Omikron ist nicht zu stoppen, die Durchseuchung unvermeidlich», beschied der Zeitung auch Jürg Utzinger, Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts. Die Frage sei, wie schnell das geschehe und zu welchem Preis. So habe Südafrika in den früheren Wellen sehr viele Risikopatienten verloren. «Wer das überlebt hat, ist jetzt halbwegs vor schwerem Verlauf geschützt. Hinzu kommen die Geimpften, etwa ein Drittel der Erwachsenen.»

Omikron erfasst die Schweiz. Das Land steht laut Experten vor der Durchseuchung.
Foto: Keystone
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Jetzt stehe auch die Schweiz vor der Durchseuchung. «Es wird wohl kaum ein Land verschont bleiben», sagt Utzinger. Die Schweiz hinke vermutlich zwei bis drei Wochen hinterher, aber auch hierzulande werde sich Omikron schnell ausbreiten.

Drosten: Omikron «erstes postpandemisches Virus»

Mit Durchseuchung von der pandemischen in die endemische Phase: Dieser Überzeugung ist auch der allgegenwärtige Christian Drosten, Direktor der Virologie an der Berliner Charité. «Ich gehe davon aus, dass Omikron die Sars-CoV-2-Variante sein wird, die uns in die endemische Phase begleiten wird», sagte Drosten der «Sonntagszeitung». Omikron werde wegen seiner Infektiosität das erste postpandemische Virus werden.

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Drosten verweist auf Südafrika, England und Schottland, die dem Infektionsgeschehen in der Schweiz und dem zentraleuropäischen voraus scheinen. In Grossbritannien gebe es eine hohe Impfquote und durch bereits viele Infizierte einen breiten Immunschutz in der Bevölkerung, sagt Drosten. Laut neuesten Studien sei die Abschwächung des krank machenden Effekts wohl hauptsächlich durch die zunehmende Immunität der Bevölkerung bedingt. «Südafrika und Grossbritannien», so Drosten, «sind jedenfalls auf dem Weg in die endemische Situation.»

Diese Einschätzung teilt auch ein Mitendecker von Omikron, der Virologe Wolfgang Preiser von der Stellenbosch-Universität nahe Kapstadt. Südafrika «schützt eine erhebliche Grundimmunität, hervorgerufen durch eine hohe Durchseuchung in den vorausgegangenen Wellen», so Preiser zur «NZZ am Sonntag».

Kritische Infrastruktur bedroht

Es werde «noch einmal hart werden», ist sich Drosten sicher. «Das Boostern ist wichtig, aber es gibt auch noch viel zu viele gar nicht geimpfte Menschen über 60 Jahre, die die Infektion bisher nicht durchgemacht haben. Wenn wir das Virus jetzt durchlaufen lassen, werden wir viele Tote haben und volle Intensivstationen.»

Auch in England könne es nach Weihnachten wieder umfangreiche Kontaktbeschränkungen geben. «Ganz viele Leute werden gleichzeitig krank.» Wahrscheinlich mache Omikron zwar «per se nicht so schwer krank». Doch auch bei nur kurzem Fieber müsse man in Isolation. «Es werden zahlreiche Beschäftigte in allen Bereichen der Wirtschaft wegfallen. Das wird auch kritische Infrastruktur wie Polizei und Feuerwehr treffen.»

Notmassnahme 1G

Wenn die Situation ausser Kontrolle gerate, falls auch die bestehenden Kontaktbeschränkungen nicht wie erhofft greifen, könnte man gemäss Drosten Beschränkungen in Betracht ziehen, bei denen nur bereits geboosterte Menschen Zugang zu Veranstaltungen oder Restaurants haben. Die bezeichnet er als 1G. «Wenn die Massnahmen nicht so wirken wie erhofft, muss man schauen, ob man nicht 1G machen muss – und das G heisst dann geboostert.» Delta sei nicht Omikron, betont der Star-Virologe. «Bei Delta mögen 2G und 3G reichen, aber jetzt schreibt Omikron die Regeln.»

Der Sommer sei verpasst worden. Mittels Boostern wie in Isael hätte die Chance bestanden, die Inzidenz im Griff zu behalten und die vielen Ungeimpften zu schützen. Daher gingen viele Länder mit einer erheblichen Impflücke in den Winter.

Drosten rechnet damit, dass nächsten Sommer das Schlimmste überstanden ist. Es werde wohl noch zwei Wellen bis zur endemischen Situation geben: die jetzige bis Ostern und eine Nachdurchseuchung im Herbst. Dazwischen stehe ein «entspannter Sommer» an, mit angepassten Impfungen könne man «dagegenboostern». «Danach wird man sagen können: Die endemische Phase ist jetzt erreicht.»

Drosten zu Impfpflicht

Die Frage, ob er eine Impfpflicht befürworte, umgeht Drosten. Er sei Virologe, kein Psychologe, Soziologe und auch kein gewählter Entscheidungsträger. «Die Impfungen erleichtern und beschleunigen den Weg in die endemische Phase. Da wollen wir alle hin – ohne das tägliche, unnötige Sterben von vielen Menschen.» Daraus erwachse die «oberste Priorität, die Impflücken zu schliessen. Aber wie man es schafft, die Impflücken zu schliessen, das bleibt Aufgabe der Politik und letztlich der Gesellschaft.»

Für ihn «persönlich ist klar: Zu meinem persönlichen Schutz und aus Verantwortung für die Gesellschaft lasse ich mich impfen.» (kes)

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