Paradies sucht Bewohner
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Quinten SG mit Zukunftssorgen:Paradies sucht Bewohner

Darüber spricht man in Quinten SG
Paradies sucht Bewohner

Auf der Südseite des Walensees donnert die Autobahn, gegenüber liegt Quinten. Geplagt von Abwanderung und schlechten Verkehrsanbindungen ist das hübsche Örtchen vom Aussterben bedroht. Eine Stiftung will das ändern.
Publiziert: 18.08.2020 um 23:18 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2020 um 21:41 Uhr
Marco Latzer

Idyllischer wie Quinten SG kann ein Dorf kaum liegen. Der hübsche Fleck mit rund 40 Einwohnern bezeichnet sich selbst als «Riviera der Ostschweiz». Umgeben von Rebbergen reiht sich hier ein hübsches Häuschen an das nächste – direkt am Ufer des Walensees und gesegnet mit einem angenehmen Klima. Die Corona-Krise ist hier im Paradies weit weg. Die Sorgen sind andere. Denn Quinten geht einer ungewissen Zukunft entgegen.

Der Altersdurchschnitt der Einheimischen liegt bei knapp 60 Jahren, die Bevölkerungszahlen sinken seit Jahren, und die Jungen sind längst weggezogen. Das grosse Problem: Quinten ist nur per Schiff oder mittels einer langen Wanderung von Weesen SG oder Walenstadt SG aus zu erreichen.

Walensee schreckt Zuzüger ab

«Der See ist so etwas wie eine geistige Barriere», sagt Joel Schmid (55), Präsident der Stiftung Quinten lebt, die sich für den Erhalt des Orts einsetzt. «Mit dem Kursschiff ist man in acht Minuten auf der anderen Seite des Walensees, trotzdem schreckt die Erreichbarkeit viele Leute ab, hier zu leben.»

Sie bringen neues Leben nach Quinten SG: Alain (32, l.) und Johnny Diacon (29) haben im Juni das Restaurant Tremondi im Walensee-Dörfchen eröffnet.
Foto: Thomas Meier
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Schmid, vor ein paar Jahren aus dem Bündnerland nach Quinten gezogen, pendelt täglich in den Kanton Zug, wo er Geschäftsführer einer Firma mit 120 Angestellten ist. Seit drei Jahren versucht er, die Zukunft seines Wohnorts zu sichern.

Um Quinten neues Leben einzuhauchen, hat die Stiftung eine verkommene Ruine im Dorf zu einem wohligen Wohnhaus mit Herbergezimmern und Restaurant umgebaut. Um Familien mit Nachwuchs anzulocken, wurde gar eine Kinderprämie ausgelobt. 200 Franken pro Monat und Kind, so das seit Anfang Jahr gültige Angebot der Stiftung.

Kinder lassen weiter auf sich warten

Bloss: Die 3½-Zimmer-Wohnung im Obergeschoss bei einer Miete von 1500 Franken steht trotz tollem Seeblick noch immer leer! «Die richtige Familie hat uns noch nicht gefunden», formuliert es Joel Schmid. «Interessenten gab es einige, doch es hat einfach nicht gepasst. Dass die Mieter mindestens ein Kind haben müssen, ist Voraussetzung!»

Im Untergeschoss des grossen Hauses hat das Wirtepaar Johnny (29) und Alain Diacon (32) vor etwas mehr als einem Monat das Restaurant Tremondi eröffnet. Zusammen mit Johnnys Cousin Gökhan Yildiz (31) schmeissen sie den Betrieb mit italienischem Charme.

Tour de Dorf

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«Quinten ist Luxus für uns!»

Parallel führen sie auch noch ein Restaurant in der Stadt Zürich. «Vom Kreis 4 nach Quinten, das sind schon Welten», sagt Alain Diacon. «Quinten, das ist ein Luxus. Die Lage, die Stimmung und die Lebensqualität sind einmalig.» Sein Partner Johnny fügt an: «Wir sehen es als unsere Aufgabe an, einen Mehrwert zu schaffen. Hier soll wieder Leben stattfinden, und wir können es uns vorstellen, hier alt zu werden.»

Für Joel Schmid sind die jungen Wirte ein Glücksfall, obwohl sie keine der ersehnten Kinder ins Dorf bringen. «Ihr Konzept hat uns am meisten überzeugt. Und mit ihrem Zuzug helfen sie, den Altersdurchschnitt zu senken», so der Stiftungspräsident.

In kurzer Zeit hat Quinten einiges erreicht: Dank einer Richtstrahlantenne auf der anderen Seeseite gibt es im Dorf passablen Internet-Empfang, auch ein Taxiservice per Boot soll in den nächsten zwei Jahren eingerichtet werden. Schon etwas länger in Betrieb ist das Raupenhotel am oberen Dorfrand.

Kritische Stimmen im Dorf sind in der Unterzahl

Raupenmami Rosmarie Büsser (63) züchtet dank Unterstützung der Stützung jedes Jahr tausende Seidenraupen heran, um lokalen Bauern dank Seide ein Zusatzeinkommen zu ermöglichen. Sie sagt: «Hier hat sich in den letzten Jahren so viel bewegt wie noch nie.» Man habe auch keine andere Wahl, falls der Ort eine Zukunft haben wolle.

«Natürlich gibt es hier auch Ewiggestrige, die am liebsten nichts verändern würden. Die glauben ernsthaft, dass sich die Dinge schon irgendwie von alleine regeln», sagt Büsser. Sie selbst sei überzeugt, dass man handeln müsse, bevor es zu spät sei.

Von der kleinen Opposition im Ort weiss auch der Stiftungspräsident. «Es gibt keinen Businessplan. Wir müssen mit Bedacht vorgehen und dürfen keinesfalls überstürzt handeln», so Joel Schmid. Ziel der Stiftung sei es, in Quinten Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht von heute auf morgen, sondern binnen einer Generation.

Wo Kiwis und Palmen wachsen

Mit einer Jahresmitteltemperatur von 12 Grad gehört Quinten als Teil der Gemeinde Quarten SG zu den wärmsten Orten der gesamten Schweiz. Selbst exotische Früchte wie Kiwis und Palmen gedeihen im Walensee-Dörfchen. Trotzdem sieht sich Quinten wegen seiner Abgeschiedenheit mit einer starken Abwanderung konfrontiert: Einst lebten 200 Menschen hier. Von 171 Einwohnern im Jahr 1835 und sank die Zahl auf 56 (2004). Heute verzeichnet Quinten gar nur noch knapp 40 Einwohner bei einer immer älter werdenden Bevölkerung.

Mit einer Jahresmitteltemperatur von 12 Grad gehört Quinten als Teil der Gemeinde Quarten SG zu den wärmsten Orten der gesamten Schweiz. Selbst exotische Früchte wie Kiwis und Palmen gedeihen im Walensee-Dörfchen. Trotzdem sieht sich Quinten wegen seiner Abgeschiedenheit mit einer starken Abwanderung konfrontiert: Einst lebten 200 Menschen hier. Von 171 Einwohnern im Jahr 1835 und sank die Zahl auf 56 (2004). Heute verzeichnet Quinten gar nur noch knapp 40 Einwohner bei einer immer älter werdenden Bevölkerung.

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