Mordfall Netstal GL kommt vor Gericht
Er zitierte Shakespeare, dann erschoss er seine Freundin

Im Oktober 2021 erschoss ein Mann seine Ex-Freundin auf einem Parkplatz in Netstal GL. Am Mittwoch kommt der Fall vor das Kantonsgericht.
Publiziert: 05.03.2024 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2024 um 15:49 Uhr

«Augen, blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte Umarmung! Und o Lippen, ihr, die Tore des Odems, siegelt mit rechtmäss’gem Kusse den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.» Die Zeilen von William Shakespeare (1564-1616) gehen unter die Haut. Ausgerechnet diese Worte tippte ein Mann (27) in seine Handynotizen, bevor er seiner Ex-Freundin (†30) in Netstal GL durch das Fenster ihres Autos zweimal in den Kopf schoss.

Am Mittwoch wird der Fall vom Oktober 2021 vor dem Kantonsgericht Glarus verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten mit tibetischen Wurzeln Mord vor, wie die «Südostschweiz» berichtet.

Über Onlinespiel kennengelernt

Die beiden sollen sich im April 2020 kennengelernt haben. Laut Anklageschrift sollen die beiden über ein Onlinespiel miteinander in Kontakt gekommen sein. Der Mann lebte in einer Flüchtlingsunterkunft im Elsass, die Frau in Netstal. Sie arbeitete bei einer Bank und war nebenberuflich noch in der Tibetergemeinschaft tätig. Die Familie soll davon laut der Zeitung nichts gewusst haben. Zehn Tage vor der Tat beendete die Frau am 10. Oktober die Beziehung, weil das Paar zu unterschiedliche politische Ansichten hatte. 

Am Tag nach der Tat erinnerten Kerzen und Blumen an die junge Frau.
Foto: Luisa Ita
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Am Vormittag der Tat nahm der junge Tibeter die Pistole seines Bekannten im Kanton Zürich und brachte sich mit Youtube-Videos das Schiessen bei. Versuche, seine Ex anzurufen, scheiterten – sie hatte ihn blockiert. Also fuhr er mit der Pistole in den Kanton Glarus und unternahm weitere verzweifelte Versuche, die Frau zu erreichen. Sogar mit einer neuen SIM-Karte und Nummer. Dann öffnete er die Notizen-App und schrieb einen Text, der mit «Wenn ich heute sterbe» begann. 

Kurz vor Tat zitiert er Shakespeare

Am frühen Abend ging der Telefonterror für die 30-Jährige weiter, ganze 37-mal rief ihr Ex-Freund an. Letztlich nahm sie ab, teilte ihm noch einmal mit, dass die Beziehung zu Ende sei. Dann schlug sie ihm ein Treffen im Netstal vor. 

Kurz vor Mitternacht schrieb er erneut eine Notiz. Diesmal zitierte er Shakespeares «Romeo und Julia». Eine halbe Stunde vor Mitternacht trafen sich die beiden am Bahnhof in Netstal. Es kam zum Streit, die Frau fuhr verärgert nach Hause, parkte auf dem Parkplatz des Altersheims Bruggli. Zu Fuss folgte ihr der Tibeter. Vor ihrem Haus auf dem Parkplatz kam es erneut zum Streit. Als er die Pistole zückte, soll die junge Frau ihn noch ausgelacht haben – dann drückte er ab. (mgf)

Opfer und Täter kannten sich flüchtig
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