Obwohl Gemeinde schon jetzt zu viele Betten hat
Wildhaus buttert 7 Mio. in privates Hotel

Das schneeunsichere Toggenburg zieht jährlich weniger Gäste an – es gibt ein massives Überangebot an Hotelzimmern. Trotzdem will die Gemeinde Wildhaus SG nun Millionen in ein Projekt einer österreichischen Hotel-Kette buttern. Der Todesstoss für einheimische Hoteliers, sagen Branchenkenner.
Publiziert: 26.03.2018 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:20 Uhr
Flavio Razzino (Text) und Siggi Bucher (Bilder)

Hotels im Toggenburg stecken seit Jahren in der Krise. Zwischen 2009 und 2017 sind die Logiernächte laut kantonaler Fachstelle für Statistik um über einen Drittel eingebrochen. Das tiefgelegene Skigebiet gilt als nicht schneesicher.

Viele einst stolze Hotels haben darum die Pforten dichtgemacht. Hotelruinen prägen die Toggenburger Landschaft. Trotzdem gibt es weiter eine Überkapazität an Zimmern.

Mitten in diese Tristesse platzt das Projekt der österreichischen Hotelkette Jufa und des Investors ITW aus Liechtenstein. In Wildhaus SG wollen sie ein 21-Millionen-Franken-Hotel auf die grüne Wiese stellen. Ausgerechnet in Sichtweite des Hotels Acker. Früher Aushängeschild der Region, ist das Betreten des Areals heute wegen der maroden Hotel-Ruine lebensgefährlich.

Petra Federer (38) und Vater Paul Beutler (71) vom Hotel Sonne in Wildhaus SG. Sie stehen dem Millionenprojekt der Hotel-Kette Jufa skeptisch gegenüber.
Foto: Siggi Bucher
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Leerstehende Hotel-Ruine Acker in Wildhaus SG. Das Betreten der Baustelle ist verboten und gefährlich.
Foto: Siggi Bucher

Investor verlangt sieben Millionen von der Gemeinde

Im neuen Hotel sind 200 Betten verteilt auf 70 Zimmer geplant. Aber nur, wenn die Gemeinde dem Investor 6500 Quadratmeter Bauland verscherbelt – für jährlich einen Franken pro Quadratmeter.

Damit aber nicht genug: Der Investor will zudem 79 kostenlose Parkplätze, und dass die Gemeinde sieben Millionen Franken ans Projekt beisteuert. Für eine Bowlingbahn, eine Mehrzweckhalle, ein Restaurant und ein Schwimmbad.

Die Wildhauser stimmen am 14. April über das Mega-Projekt ab. Der Gemeinderat spricht von einer grossen Chance für den Tourismus. Man meint, das Hotel werde dafür sorgen, dass neue Kunden ins Toggenburg finden und so alle Betriebe profitieren.

Die Wildhauser haben die Qual der Wahl. «Sagen sie nein zu den sieben Millionen, ist das gesamte Projekt tot», sagt ITW-Geschäftsführer Martin Meyer zu BLICK.

Alte Hoteliers: «Wir kämpfen ohne öffentliche Gelder»

Sybille Vetsch (38) hält das Projekt für eine Schnapsidee. Sie war jahrelang Gastgeberin des Reka-Feriendorfs in Wildhaus. Das neue Hotel bedeute den Todesstoss für den einen oder anderen Mitbewerber. Sie befürchtet, dass sich die wenigen Logiernächte im Tal nur verlagern werden.

Auch bei den einheimischen Hotels ist das Projekt umstritten. «Wir haben nichts gegen neue Mitbewerber, das spornt uns an», sagt Petra Federer (38), Gastgeberin des Hotels Sonne in Wildhaus. Mühe habe sie aber damit, dass ein ausländisches Hotelunternehmen derart hofiert werde.

Petra Federer (38) und Vater Paul Beutler (71) vom Hotel Sonne.
Foto: Siggi Bucher

«Die einheimischen Hotels kämpfen seit Generationen mit Elan und Fleiss um ihre Existenz, ohne dass sie von öffentlichen Geldern unterstützt werden», sagt Federer weiter. Auch Sonne-Besitzer Paul Beutler (71) meint, dass mit dieser Schenkung der Markt verzerrt wird: «Es wäre ein Kampf mit ungleichen Spiessen!»

Im Teufelskreis

Toggenburger Hoteliers können von solchen Projekten nämlich nur träumen. Banken geben für Um- und Ausbauten im Tal heute kaum mehr Kredite. Sie schätzen die Investitionen als «zu riskant» ein.

Die Hoteliers befinden sich darum in einem Teufelskreis. Tourismus-Experte Christian Laesser bringt es auf den Punkt: «Eigentlich müssten die übrig gebliebenen Hotels jetzt kräftig investieren.» Einzig: «Das Geld dafür fehlt ihnen.»

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