Rassistische Sujets auf Fasnachtswagen in Aadorf TG sorgen für rote Köpfe
Wie viel Narrenfreiheit ist erlaubt?

Fasnächtler spotten mit ihrem Wagen in Aadorf TG über ertrinkende Flüchtlinge. Für viele ist aber klar: Auch bei Satire gibt es eine Grenze.
Publiziert: 25.01.2018 um 16:19 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2023 um 08:43 Uhr
Die Hülsnerbuben Dietschwil mit ihrem Wagen «Asylparadies Schweiz» in Aadorf TG.
Foto: Andri Rostetter / St. Galler Tagblatt
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Anastasia Mamonova

Der Fasnachtswagen der Hülsnerbuben Dietschwil sorgt für Empörung. Am Umzug in Aadorf TG prangten dort Schilder mit der Aufschrift «Asylbar» und «Einwanderungsbehörde» (BLICK berichtete). Ein Bild zeigt ein sinkendes Boot, daneben schwarze Hände, die aus dem Wasser ragen. Eine geschmacklose Anspielung auf Flüchtlinge, die jedes Jahr zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken.

Für ihren nächsten Umzug in Gähwil SG haben die Verantwortlichen angekündigt, dieses Bild zu entfernen. Alle anderen Motive – zum Beispiel «Gratis Handys» – stellen für die Veranstalter kein Problem dar. Für die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) allerdings schon: «Das Sujet des Wagens spielt mit der weit verbreiteten falschen Information, es gäbe für Asylsuchende gratis Handys», sagt Sprecherin Alma Wiecken.

«Stimmungsmache gegen Asylsuchende»

Auch die «Asylbar» und die Aufschrift «Asylparadies Schweiz» suggerierten, Asylsuchende würden hier in der Schweiz ein sehr angenehmes Leben führen, so Wiecken. «Diese Desinformationen werden teilweise gezielt gestreut, um Vorurteile und Stimmung gegen Asylsuchende anzufeuern.» Vergessen werde dabei oft, dass es hier um Menschen gehe, die oft alles verloren und schreckliche Dinge erlebt hätten.

Der Präsident der Hülsnerbuben Dietschwil, Thomas H., hegt grosse Sympathien fürs Rechtsextreme. Das zeigt ein Blick auf sein Facebook-Profil: Dort unterstützt er die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Laut der Nachrichtenseite «St. Galler Tagblatt» hat er auch eine Fanseite von Adolf Hitler geliked. Ausserdem ist er Fan der umstrittenen Bands «frei.wild» und «Böhse Onkelz».

Ein weiteres Indiz für die rechsextreme Gesinnung von Thomas H.: Auf dem Fasnachtswagen-Banner mit der Aufschrift «Asylparadies.ch», eine nichtexistierende Website, sind hinter den fett geschriebenen S die Siegrunen zu erkennen – das Emblem der Schutzstaffel (SS) von Hitlers NSDAP.

«Das sieht nach einer politischen Geschichte aus»

Thomas H. hatte sich noch im «St. Galler Tagblatt» verteidigt: «Wir meinen das Ganze satirisch und sind weder rechtsradikal noch radikal.» Das lässt Alma Wiecken nicht gelten: «Auch bei Satire gibt es eine Grenze des guten Geschmacks. Auch Satire kann verletzend sein und Vorurteile fördern, wie dieses Beispiel zeigt.»

Peti Federer, Sprecher des Luzerner Fasnachtskomitees.
Foto: LFK

Was gehört an die Fasnacht? Was ist erlaubt? Politische Propaganda hätten an der Luzerner Fasnacht nichts verloren, sagt Peti Federer. «Die Luzerner Fasnacht ist die falsche Plattform für politische Themen. Es ist einfach eine Frage des Stils und Anstands.» Würde man dennoch ein kontroverses Sujet entdecken, würde man von Fall zu Fall individuell entscheiden. «Wir verlassen uns auf den gesunden Menschenverstand.» Klare Satire sei in Ordnung, zum Beispiel, wenn ein Stadtrat auf die Schippe genommen wird.

«An der Basler Fasnacht gibt es keine Zensur»

Christoph Bürgin, Mediensprecher des Basler Fasnachtskomitees.
Foto: zvg

Fasnacht ohne Politik ist in Basel undenkbar – aber mit Stil. Christoph Bürgin, Mediensprecher des Basler Fasnachtskomitees: «Die Basler Fasnacht lebt von kritischen, politischen und heiklen Sujets. Es ist die Kunst des Persiflierens, des Spiegelvorhaltens, des Aufzeigens von Missständen, und zwar so, dass dies nicht verletzend erfolgt und innerhalb der geltenden Gesetzes geschieht», sagt Bürgin zu BLICK.

Auch Flüchtlings- und Sexismusthemen dürften gerne ausgespielt werden. «Es gibt an der Basler Fasnacht keine Zensur.» Je heikler ein Sujet, desto anspruchsvoller sei eine gute Umsetzung, fügt er hinzu. Nur Werbung und politische Parolen einer Partei im Hinblick auf eine bevorstehende Abstimmung seien verboten.

Der Präsident der Hülsnerbuben, Thomas H. aus Dietschwil, hat auf Facebook eine Fanseite von Adolf Hitler geliked.
Foto: Screenshot facebook

Der Toggenburger Thomas H. lässt sich gern in Militäruniform fotografieren. Auf seinem inzwischen gelöschten Facebook-Profil trägt er die Uniform eines Unteroffiziers der Logistiktruppen. Die Armee ist über den Fall nicht erfreut und teilt auf Anfrage der «Thurgauer Zeitung» mit, sie toleriere in ihren Reihen keinerlei Extremismus. «Wir können allerdings aus politischen und finanziellen Gründen nicht kontrollieren, was unsere Kader und Soldaten in den sozialen Netzwerken posten», schreibt Delphine Allemand von der Kommunikation Verteidigung. Deshalb habe H. auch eine Unteroffizierskarriere einschlagen können.

Fasnächtler vergreifen sich immer wieder im Ton

Immer wieder gibt es Fasnächtler, die über die Stränge schlagen. 2004 sorgte die Fasnachtsdekoration mit dem Motto «Kleinstadt-Dschungel» in Bremgarten AG für Diskussionen. Auf den Bäumen hingen jedoch neben Papageien und Affen auch lebensgrosse Puppen von Schwarzen mit Lendenschurz und dicken roten Lippen. Nach Protesten entfernten die Verantwortlichen die Puppen unverzüglich.

Vor zwei Jahren sorgte ein Online-Versandhändler aus dem Thurgau mit seinen Flüchtlings-Kostümen für Aufruhr. Die Internetseite fasnacht24.ch hatte neben der Kleidung auch Umhängetaschen mit Identifikations-Etiketten in ihrem Sortiment (BLICK berichtete).

Geschmacklose Aktion: FCL-Fans und ihr St. Galler «Jude» Anfang 2015.
Foto: fcl.fan-fotos.ch

Auch FCL-Fans fielen mit ihrem Rassismus-Skandal im Rahmen der Fasnacht vor drei Jahren negativ auf. Die Männer waren zu einem Auswärtsspiel nach St. Gallen angereist und einer von ihnen hatte sich als Jude mit St. Galler Schal verkleidet. Den Hut mit den Schläfenlocken habe er ganz normal im Fasnachtsshop in Littau LU gekauft, schrieb der Fan später in einem Entschuldigungsbrief.

Ob die Hülsnerbuben Dietschwil sich mit ihrer Aktion strafbar gemacht haben, ist unklar. «Es ist grundsätzlich die Aufgabe der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, ob ein Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm vorliegt», sagt EKR-Sprecherin Wiecken.

Entlarvte Widerwärtigkeit

Es gibt einen grossen Irrtum über die Fasnacht: Viele denken, Humor und Verkleidung seien eine Verstellung. Dabei ist Maskerade eine Entblössung. Larven sind oft entlarvend, und angeblicher Humor legt die eigentliche Gesinnung offen.

So ist es auch mit dem «Asyl-Wagen» dieser Hülsnerbuben. Ihre widerlichen Sujets seien satirisch gemeint, reden sie sich ihre Menschenverachtung schön. Mal davon abgesehen, dass ihr Chef auch in anderen Jahreszeiten seinen rechtsradikalen Einschlag zelebriert – Menschenfeindlichkeit ist nie Satire. Sie ist immer erschreckend, immer bitterernst.

Einst war die Fasnacht ein Ventil des Volkes. Verspottet wurden Obrigkeit und Pfaffen. Kein Wunder, haben die das subversive Treiben immer wieder verboten. Sie wussten: Was als Humor verkleidet daherkommt, ist nackte Wahrheit.

Wer sich aber über Flüchtlinge lustig macht, der legt sich nicht mit denen da oben an, sondern tritt auf die ganz unten ein. Es ist eine Pervertierung des Fasnachts-Gedankens – leider entlarvend für unsere Zeit.

«Menschenfeindlichkeit ist nie Satire»: BLICK-Chefredaktor Andreas Dietrich.
Shane Wilkinson

Es gibt einen grossen Irrtum über die Fasnacht: Viele denken, Humor und Verkleidung seien eine Verstellung. Dabei ist Maskerade eine Entblössung. Larven sind oft entlarvend, und angeblicher Humor legt die eigentliche Gesinnung offen.

So ist es auch mit dem «Asyl-Wagen» dieser Hülsnerbuben. Ihre widerlichen Sujets seien satirisch gemeint, reden sie sich ihre Menschenverachtung schön. Mal davon abgesehen, dass ihr Chef auch in anderen Jahreszeiten seinen rechtsradikalen Einschlag zelebriert – Menschenfeindlichkeit ist nie Satire. Sie ist immer erschreckend, immer bitterernst.

Einst war die Fasnacht ein Ventil des Volkes. Verspottet wurden Obrigkeit und Pfaffen. Kein Wunder, haben die das subversive Treiben immer wieder verboten. Sie wussten: Was als Humor verkleidet daherkommt, ist nackte Wahrheit.

Wer sich aber über Flüchtlinge lustig macht, der legt sich nicht mit denen da oben an, sondern tritt auf die ganz unten ein. Es ist eine Pervertierung des Fasnachts-Gedankens – leider entlarvend für unsere Zeit.

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