Spital-Chef Marc Kohler erklärt, warum Thurgauer Intensivstationen am Anschlag sind
«Der Anstieg ist heftiger als in der 3. Welle»

Die Anzahl Corona-Patienten bereitet den Spitälern Kopfzerbrechen, die Mitarbeiter leiden unter dem permanenten Stress. Der Thurgau sieht sich bereits gezwungen, Patienten ausserkantonal unterzubringen.
Publiziert: 30.08.2021 um 00:24 Uhr
Marco Latzer

Kaum sind die Sommerferien vorbei, spitzt sich die Lage in Schweizer Spitälern dramatisch zu. Weil die 22 Intensivpflegeplätze ausgeschöpft sind, sieht sich der Kanton Thurgau jetzt gezwungen, Patienten in andere Kantone zu verlegen.

Die Pandemie hat innert kurzer Zeit dafür gesorgt, dass jedes zweite Intensivbett mit einem Corona-Patienten belegt ist. «Der Anstieg ist sogar etwas steiler und heftiger als in der dritten Welle, die für die Spitäler bis jetzt am kritischsten war», sagt Marc Kohler (64), CEO der Spital Thurgau AG, zu Blick.

Frustriertes Personal sorgt für Kopfzerbrechen

Das habe dazu geführt, dass die geplanten Eingriffe nicht schnell genug zurückgefahren werden konnten. Zusätzlich verschärft wurde die Situation durch Rückverlegungen per Rega-Helikopter von Patienten, die während ihren Sommerferien im Ausland schwer an Corona erkrankt waren.

Laut dem Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (42) hat die Corona-Situationen zu Personalabgängen auf den Intensivstationen geführt.
Foto: Keystone
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Das Hauptproblem: Obwohl die Spitäler über ausreichend Betten und Beatmungsgeräte verfügen, fehlt es landesweit an fachkundigem Personal für die Intensivstationen. Der Personalbestand ist deshalb seit Pandemiebeginn mehr oder weniger gleich geblieben.

«Die Covid-Situation hat auch dazu geführt, dass Leute aus dem Job ausgestiegen sind und auf andere Abteilungen gewechselt haben – weil sie keine Lust mehr hatten, auf den Intensivstationen zu arbeiten», berichtet der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (42).

Schleppende Impfkampagne senkt Arbeitsmoral

Spitalchef Kohler will dies auf Nachfrage nicht explizit bestätigen: «Allerdings ist die Stimmung deutlich schlechter, weil diese Überbelastung heute nicht wirklich nötig wäre.»

Der schleppende Fortschritt der Impfkampagne sei für seine Angestellten äusserst frustrierend, da der Dauerstress und die vielen Extraschichten eigentlich vermeidbar gewesen wären. Das zeige sich gerade auch in den Thurgauer Spitälern.

Denn bei den eingelieferten Corona-Patienten handle es sich vielfach um jüngere und fast ausschliesslich um ungeimpfte Personen. Die Konsequenz: «Die Spitäler verlegen seit rund zehn Tagen Patienten hin und her, wo gerade ein Platz frei ist», so Kohler. Immerhin funktioniere die Solidarität unter den Spitälern ausserordentlich gut.

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