«Es werden Fehler passieren, wenn Offiziere fehlen»
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Ex-Feuerwehrmann aus Zuzwil SG:«Es werden Fehler passieren, wenn Offiziere fehlen»

Feuerwehr-Zoff in der Ostschweiz – demissionierter Feuerwehrmann Stefan Klammsteiner (46) sagt traurig
«Ich wollte eigentlich noch ein paar Jahre dienen»

Zehn von 42 Feuerwehrleuten in Zuzwil SG sind nicht mehr im Dienst – sie gingen freiwillig oder wurden gegangen. Schuld ist ein Streit, der seit zwei Jahren schwelt und von einem Brief befeuert wurde.
Publiziert: 06.06.2022 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2022 um 12:15 Uhr
Céline Trachsel

In Zuzwil SG brennt der Baum! Zehn von 42 Miliz-Feuerwehrmännern sind entweder freiwillig ausgetreten oder wurden rausgeworfen. «Wir lassen uns einfach nicht so behandeln», sagt Stefan Klammsteiner (46) aus Zuzwil. Er hat freiwillig demissioniert, nachdem vier Offiziere aus dem Dorf aus dem Dienst entlassen wurden. Grund: ein böser Brief, den sie alle in den falschen Hals bekommen haben.

Das Ostschweizer Dorf verliert damit einen Viertel seiner Feuerwehrleute und zirka 100 Jahre Feuerwehrerfahrung. Zum Zerwürfnis führte ein Zoff, der schon fast zwei Jahre andauert.

Die Feuerwehr Region Uzwil (FWRU) wurde 2019 von den fünf St. Galler Gemeinden Niederhelfenschwil, Oberbüren, Oberuzwil, Uzwil und Zuzwil gegründet, um sich zu professionalisieren. Der Verein umfasst damit knapp 240 Einsatzkräfte. Jede Gemeinde hat einen Vertreter im Vorstand, in Niederhelfenschwil ist es der Gemeindepräsident. Als im September 2020 in Niederhelfenschwil die politischen Ämter neu besetzt wurden, wurde der neu gewählte Gemeindepräsident bald darauf Vorstandsvorsitzender des Feuerwehrverbandes.

Demissionierte freiwillig, aber vermisst die Feuerwehr trotzdem: Stefan Klammsteiner aus Zuzwil ist Betroffener vom Feuerwehr-Zoff.
Foto: Siggi Bucher
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«Uns wurde gesagt: ‹Ihr macht das nun einfach so, Punkt›.»

Dort begann nach Ansicht der verärgerten Zuzwiler das Problem. «Er entliess den bisherigen Geschäftsführer des Feuerwehrverbandes und besetzte das Amt gleich selbst. Er übernahm also neben seiner Vollzeitstelle als Gemeindepräsident nun auch diesen 100-Prozent-Job und wurde Feuerwehrkommandant – und das ohne Feuerwehrerfahrung», ärgert sich Stefan Klammsteiner.

Die Feuerwehr Region Uzwil wurde reorganisiert, was ja auch die Idee des Zusammenschlusses war. Die Neuerungen hätten zu keinem ernsthaften Streit geführt – aber bei der Kommunikation sei vieles schiefgelaufen, meint Stefan Klammsteiner. «Viele Leute aus den angeschlossenen Dörfern fühlten sich vor den Kopf gestossen. Wenn etwas durch die Neuorganisation zu umständlich wurde oder längere Wege entstanden, wurde einfach gesagt: ‹Ihr macht das nun einfach so, Punkt›.» Dann flattert das besagte Schreiben in die Briefkästen der rebellierenden Feuerwehrleute.

Sich ohne Wenn und Aber einordnen – oder gehen

Anregungen würden nur noch unter bestimmten Umständen akzeptiert, heisst es im Brief. Inputs müssen «der Sache dienlich, konstruktiv und für die Organisation zielführend» sein und dürften nur noch «im Rahmen von Feedbackrunden» eingebracht werden. Die Männer sollen sich «ohne Wenn und Aber» einordnen. Den Adressaten wurde eine Frist eingeräumt, um Folge zu leisten oder eine Stellungnahme abzugeben, sonst drohte ihnen der Ausschluss.

Vier Offiziere aus Zuzwil hatten keine Lust auf diese Stellungnahme – und wurden rausgeworfen. Stefan Klammsteiner und fünf weitere taten den Schritt freiwillig und gingen ebenfalls. Weil die zehn Personen verschiedene Funktionen innehatten, fehlen in Zuzwil nun fünf Offiziere, sieben Maschinisten, sechs First Responder und einer von zwei Atemschutzverantwortlichen. «Das wird massiv Auswirkungen auf Zuzwil haben», meint Stefan Klammsteiner. «Die Einsatzkräfte aus den anderen Dörfern haben im Falle eines Pikett-Einsatzes einen längeren Anfahrtsweg.»

Trotz freiwilligem Abgang vermisst er die Feuerwehr

Klammsteiner steht hinter seiner Entscheidung, ausgetreten zu sein, aber er bedauert dennoch, nicht mehr der Feuerwehr anzugehören. «Ich wollte eigentlich schon noch ein paar Jahre dienen.» Allerdings nicht unter diesen Umständen. «Man wird behandelt wie ein niederer Angestellter. Wir haben doch nicht jahrelang Feuerwehr gemacht, um Erfahrung zu erlangen, während andere denken, sie können es einfach so!»

Diese Machtkonzentration zugunsten eines Einzelnen an der Spitze hält er für «eine ganz schlechte Struktur». «Und weshalb die anderen Vorstandsmitglieder nicht eingreifen, ist mir auch ein Rätsel.»

«Gewisse Anweisungen erfolgen einfach topdown»

Der kritisierte Mann an der Spitze der FWRU heisst Peter Zuberbühler (46, parteilos). Von einer Machtkonzentration bei ihm sei man weit entfernt. «Es gibt einen Vorstand und ein Kommando, das gemeinsam Entscheidungen trifft.»

Der Zusammenschluss der Gemeindefeuerwehren erfordere, dass diese Entscheidungen dann auch so umgesetzt werden, wie sie getroffen und kommuniziert werden. «Dass gewisse Anweisungen topdown erfolgen, ergibt sich aus der Struktur der Feuerwehr und ist nichts anderes, als in jedem anderen Betrieb», sagt Zuberbühler.

Als sich einige Personen nicht einsortieren wollten, habe man das Gespräch gesucht. «Dass man den Betroffenen Fristen gesetzt hat, um über ihren Verbleib in der Mannschaft zu entscheiden, kann man gut oder schlecht finden», räumt Zuberbühler ein. Er bedauere, dass die Offiziere die Gelegenheit für eine Stellungnahme mehrmals verstreichen liessen. «Man wünscht sich natürlich, dass sich alle Personen an Struktur und Regeln der Organisation halten.» Umso mehr sei er verwundert über die Energie und Aktivität, die nun im Nachgang investiert werde.

Versorgung in Zuzwil sei gewährleistet

Vorstand und Kommando hätten gehofft, dass der Zoff anders ausgegangen wäre. Zuberbühler betont: «Es ist nicht angenehm für die Beteiligten, das ist klar. Der Verlust an Kompetenzen ist einschneidend, denn wir haben gute Fachleute verloren. Aber wir haben mit diesem Szenario gerechnet und können das kompensieren durch die Grösse des Mannschaftsbestandes.» Wichtig ist ihm zu betonen: «Die Versorgung in Zuzwil ist jederzeit gewährleistet und dank der Synergien sogar noch besser als vorher.»

Nun kümmert sich auch die Politik um den Zoff. Raffael Sarbach von der SP Zuzwil-Züberwangen-Weieren hat nach dem Eklat die Meinungen beider Seiten eingeholt. «Wir bekamen teils gegenteilige Antworten. Offenbar sitzt der Konflikt tief und die Fronten scheinen verhärtet.» Für alle Beteiligten sowie die Bevölkerung sei die ganze Situation sehr unschön. «Wir hoffen, dass sich die Sache klärt und man eine einvernehmliche Lösung findet. Vielleicht braucht es eine externe Supervision oder Moderation, um den Konflikt zu lösen.»

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