«Das ist Willkür!»
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«Das ist Willkür!»:Bauer Jürg Leuzinger (62) hat die Schnauze voll

Bauer Jürg Leuzinger (62) muss 10'374.55 Franken zahlen
Dorfbewohnerin brach Streit vom Zaun

In Gachnang TG hat ein Streit absurde Dimensionen angenommen. Der Abbruch eines «störenden Zauns», der fast 30 Jahre niemanden gestört hat, kostet einen Bauern jetzt über 10'000 Franken. Ein Ende des Streits mit den Behörden ist nicht in Sicht.
Publiziert: 16.11.2022 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 09:17 Uhr
Sandro Zulian

«10'374.55 Franken muss ich jetzt bezahlen!», schimpft Bauer Jürg Leuzinger (62). Grund ist ein über 20 Meter langer Zaun aus alten Autobahnleitplanken. Obwohl er schon seit 1991 steht, soll er jetzt weg. Leuzingers Vater, der Vorbesitzer, liess in den 90er-Jahren den Platz hinter seinem Bauernhaus in Gachnang im Kanton Thurgau vergrössern und installierte einen Miststock. Um diesen abzusichern, baute er darauf einen Zaun aus alten Autobahnleitplanken. Recycling, sozusagen.

Geliefert wurde der Zaun vom Kanton, Vertreter der Gemeinde Gachnang waren sogar vor Ort und nickten den Bau ab. Es brauche keine Baubewilligung, hiess es damals aus der Verwaltung.

Eine Breitseite von Einsprachen

Doch der Bauer hatte die Rechnung ohne eine Dorfbewohnerin gemacht. Im Jahr 2018 informierte sie die Gemeinde über den Zaun, den sie als störend empfand. «Seit vier Jahren habe ich Krieg mit den Behörden», sagt Jürg Leuzinger.

Jürg und Cornelia Leuzinger stehen vor dem Problem-Zaun in Gachnang TG.
Foto: Sandro Zulian
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Hauptdarsteller in dieser Geschichte sind nebst Leuzinger und der Bürgerin die Gemeinde Gachnang, das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, das Amt für Raumentwicklung und das Landwirtschaftsamt. Sie alle haben etwas zu sagen zu Leuzingers Zaun. Zu hell soll er sein.

Alle involvierten Parteien waren im Jahr 2020 sogar schon einmal vor Ort, um die störende Wand persönlich zu begutachten. Damals trug sich auf dem Sitzplatz der Dorfbewohnerin gemäss Protokoll des Kantons folgende Konversation zu:

  • Jürg Leuzinger: «Ich stelle fest, dass die Wellblechwand keineswegs glänzt.»
  • Gemeindevertreterin: keine Bemerkungen.
  • Vertreter Amt für Raumentwicklung: keine Bemerkungen.
  • Vertreterin Amt für Raumentwicklung: keine Bemerkungen.
  • Vertreter Landwirtschaftsamt: keine Bemerkungen.
  • Bewohnerin: «Von diesem Standort ist die Wellblechwand ohne weiteres sichtbar. Auch sieht man, dass sich die Wand nicht ansatzweise in das Landschaftsbild einpasst.»

Daraufhin wurde sogar die Sonneneinstrahlung seitens Behörden intensiv geprüft.

Metallzaun nein, Holzwand aber auch nicht

Das Amt für Raumentwicklung, Abteilung Natur und Landschaft hielt in einem Bericht fest, dass der Zaun tatsächlich nicht gut nach Gachnang passt. Aber: «Gegen die Erstellung einer Holz- oder Betonwand hätten wir nichts einzuwenden.»

Gesagt, getan: Leuzinger liess also den Metallzaun hinter einer Holzwand verschwinden. Diese soll sich nach seiner Ansicht nicht nur besser in die Landschaft einfügen, sondern auch die dahinter liegende Holzbeige absichern.

«Behördenwillkür!»

Dagegen rekurrierte aber die Dorfbewohnerin einmal mehr, worauf die Gemeinde dem 62-Jährigen im September dieses Jahres einen Vollstreckungsentscheid schickte. Sowohl Holzwand als auch Autobahnleitplanke müssen endlich weg. Kostenpunkt: 10'374.55 Franken.

Doch es kommt noch dicker: Für den bürokratischen Aufwand, den die Gemeinde wegen Leuzingers Zaun leisten musste, werden ihm nochmals 2000 Franken an Gebühren auferlegt. Der Bauer selber ist jedoch auch nicht ganz unschuldig: Gegen einen Entscheid aus dem Jahr 2021, wonach der Zaun definitiv entfernt werden müsste, hat Leuzinger innert Frist keinen Rekurs eingelegt.

«Wir mussten eingreifen»

«Hätte er damals Rechtsmittel ergriffen, so hätte er wahrscheinlich Chancen gehabt», sagt der Gemeindepräsident von Gachnang, Roger Jung. Er wehrt sich gegen die erhobenen Vorwürfe des Behörden-Irrsinns: «Wir haben Spielregeln, an die wir uns halten müssen.» Doch der parteilose Gemeindepräsident schlägt auch versöhnliche Töne an: «Wir wollen niemanden hässig machen.»

Doch dafür dürfte es bereits zu spät sein. «Es ist schwierig, so leben zu müssen», fasst Leuzingers Frau die Situation zusammen.

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