Papst Franziskus gerät immer mehr unter Druck
«Betet für mich – nicht gegen mich»

Im Vatikan tobt ein heftiger Machtkampf. Konservative laufen Sturm gegen Papst Franziskus. Darunter auch der ehemalige Weihbischof von Chur.
Publiziert: 07.01.2024 um 14:52 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Ich habe keine einfache Aufgabe», sagt Papst Franziskus (87) und klingt dabei sehr kurzatmig. Er hat mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Wegen seines Knieleidens geht er am Stock. «Betet für mich – nicht gegen mich», sagt er im Gespräch mit Journalisten in Rom, an dem Blick teilnahm. Im Vatikan tobt seit Jahren ein heftiger Machtkampf. Konservative bekämpfen den Reform-Papst Franziskus.

Am Donnerstag sah sich der Vatikan zu einer Erklärung gezwungen, denn das Papier «Fiducia supplicans» («Flehendes Vertrauen») sorgt seit Wochen für Schlagzeilen.Darin erlaubt der Papst den Segen für homosexuelle Paare. Für die homophobe Amtskirche ist das eine Revolution – und eine Provokation für afrikanische Länder, die Homosexualität verbieten und mit dem Tod bestrafen.

In einer Zusatz-Erklärung stellt der Papst nun klar: Die Ehe von Mann und Frau wird nicht angetastet. Doch in Ländern, die Homosexualität kriminalisieren, dürfe die Kirche nicht schweigen. Sie müsse sich für die «Verteidigung der Menschenwürde» einsetzen.

«Aktuell plane ich nicht, in die Schweiz zu reisen», sagt Papst Franziskus zu Blick-Redaktor Raphael Rauch.
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Nach wie vor laufen konservative Priester und Bischöfe Sturm. Nicht nur in Afrika, sondern auch in der Schweiz. Zu den schärfsten Kritikern von Papst Franziskus gehört der pensionierte Weihbischof von Chur, Marian Eleganti (68). Er warnt vor einer Kirchenspaltung. Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (75), will davon nichts wissen und begrüsst das neue Schreiben aus Rom: «Die Seelsorgenden werden allen, die es wünschen, den Segen gemäss Fiducia supplicans erteilen.»

«Ich warte schon seit Monaten auf Akteneinsicht»

Der Umgang mit LGBTQ ist nicht das einzige Thema, das Papst Franziskus Probleme bereitet. Auch die schleppende Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes sorgt für Ärger. Die Uni Zürich, die in der Schweiz den Missbrauch von Gottesmännern an Kindern und Jugendlichen aufarbeitet, erhält keinen Zugang zum Archiv des Papst-Botschafters in Bern. Die Nummer 2 im Vatikan, Kardinal Pietro Parolin (68), sagte zu Blick: «Gemäss dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen sind die Archive unverletzlich. Von daher können wir das Archiv der Nuntiatur nicht öffnen. Die Forscherinnen können aber die Archive der Bistümer nutzen.»

Einen Hoffnungsschimmer stellte Parolin jedoch mit Blick auf die Akten der römischen Inquisition in Aussicht. Im Dikasterium für Glaubenslehre sind die Schweizer Missbrauchsfälle dokumentiert. Hier könne punktuell Akteneinsicht beantragt werden, sagte Parolin.

Die Historikerinnen Monika Dommann (57) und Marietta Meier (57) wollen sich so nicht abspeisen lassen. «Für die historische Forschung wären die Archive der Nuntiatur und des Vatikans sehr wichtig. Wir werden in den nächsten Wochen ein neues Gesuch stellen», sagen Dommann und Meier zu Blick. «Es ist zentral, die Korrespondenz zwischen der Schweiz, der Nuntiatur in Bern und Rom nachzuverfolgen und herauszufinden, welche Fälle tatsächlich gemeldet wurden und wie die Verfahren weiterliefen.» Eine rein punktuelle Akteneinsicht wäre für die Historikerinnen unbefriedigend: «Systematische internationale Vergleiche sind nur möglich, wenn integraler Zugang zu den Archiven gewährt wird.»

Der Missbrauchskomplex ist zugleich ein Problem der Gegenwart. Bischof Joseph Bonnemain muss, wie Blick im September publik machte, Vertuschungsvorwürfe gegen sechs Schweizer Bischöfe prüfen. Aktuell gehen auch kantonale Staatsanwaltschaften Vorwürfen gegen mehrere Priester und Bischöfe nach.

Missbrauchsopfer bezweifeln, dass es die Bischöfe mit der Aufklärung ernst meinen. «Ich warte schon seit Monaten auf Akteneinsicht. Doch der Bischof von Basel, Felix Gmür, hat mir diese bislang nicht gewährt», kritisiert das Missbrauchsopfer Thomas Pfeifroth (57). Und das Missbrauchsopfer Josef Henfling (39) ist enttäuscht darüber, dass ihm die Schweizer Bischöfe keine Psychotherapie bezahlen wollen. Er hat sich nun an die Opferhilfe in Graubünden gewandt. 

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