Das Quereinsteiger-Programm wird für sie zum Glücksfall
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Libanesin Zeinab Charaf Eddine:Das Quereinsteiger-Programm wird für sie zum Glücksfall

Pilotprojekt für Quereinsteiger in der Hotellerie
Vom Bau in die Küche

Claudia Fähndrich (35) war Malerin auf dem Bau, betreute Strassenkinder in Rumänien und wischte Strassen in der Stadt Bern. Jetzt hat sie einen von vier Plätzen im Quereinsteigerprogramm für Köche ergatter
Publiziert: 10.07.2022 um 17:29 Uhr
|
Aktualisiert: 11.07.2022 um 11:27 Uhr
Claudia Fähndrich (35) am Holzofengrill in einem der drei Restaurants des Hotels Marina Lachen in Schwyz. Die Bernerin hat Maler gelernt, jetzt gehört sie zu den ersten offiziellen Quereinsteiger-«Lehrlingen» der Schweizer Hotellerie.
Foto: Nathalie Taiana
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Jonas Dreyfus

Bevor sie fürs Foto ein Stück Fleisch auf den Holzkohlegrill wirft, hat Claudia Fähndrich (35) 50 Liter französische Salatsauce in Einzelportionen verpackt und luftdicht verschlossen. Am Vakuumiergerät stehe sie oft, sagt die Bernerin aus Frutigen. «Das gehört halt auch dazu. Genauso wie das Putzen.»

Mitte April hat sie als eine von vier Kandidatinnen und Kandidaten eine Ausbildung als Quereinsteigerin in den Beruf als Koch begonnen. In den ersten zwei Monaten besuchte sie drei Tage pro Woche die Hotelfachschule in Thun BE, wo ihr und ihren drei Mitstudenten das Wichtigste für den Job vermittelt wurde.

Es sei luxuriös gewesen, eine so persönliche Betreuung zu erhalten, sagt Fähndrich. Themen wie Hygiene oder Lagerung von Lebensmitteln standen auf dem Stundenplan. Die kleine Klasse machte Expeditionen, sah sich einen Biobauernhof an oder den Showroom eines Herstellers für professionelle Küchengeräte. An manchen Tagen lernte sie morgens alles über Fisch als Speise. Am Nachmittag kochte sie Fisch für die Studierenden und die Dozenten der Schule.

Ein Jahr im Schnelldurchlauf

Ohne Ausbildung könne man in der Küche eigentlich nur als Abwäscher arbeiten, sagt Fähndrich. Dass sie jetzt die Gelegenheit habe, ein Jahr lang im Schnelldurchlauf zu lernen, sei der Hammer. Logisch, dass sie sich in der Küche im Hotel Marina Lachen am Zürichsee in Schwyz, wo sie ihre Ausbildung macht, beweisen müsse als Quereinsteigerin. Aber das ist Fähndrich gewohnt von ihrer Zeit als «Frau auf dem Bau», wie sie es nennt.

Nach einer Malerlehre arbeitete sie acht Jahre auf dem Beruf. Sie liebte ihn, doch irgendwann verziehen ihr ihre Knie das viele In-die-Hocke-Gehen nicht mehr. Sie musste sich operieren lassen und neu orientieren. Pflegehilfe oder Betreuung von Strassenkindern in Rumänien waren zwei von vielen Stationen in Fähndrichs bewegtem Lebenslauf. Als sie mal einer Kollegin aushalf, die ein Catering-Unternehmen führt, habe es ihr den «Ärmel reingenommen» für den Beruf des Kochs.

Sie schnupperte in Betrieben und hätte sogar ein Angebot für eine Kochlehre gehabt, das sie schweren Herzens ablehnen musste. «Mit 900 Franken Lehrlingslohn pro Monat komme ich schlichtweg nicht durch.» Fähndrich ging zur Stadtreinigung Bern und wischte Strassen.

«Wir müssen ausbilden, ausbilden, ausbilden»

«Bei Frau Fähndrich spüre ich, dass sie das durchziehen will», sagt Thomas Schneider, Küchenchef und Mitglied der Geschäftsleitung des Hotels Marina Lachen. Zum Gebäudekomplex gehören drei Restaurants, eine Bar, ein Bankett- und ein Catering-Service. Fast 70 Personen arbeiten für die «Erlebnis- und Gastronomiemeile» am Hafen.

Für ihn sei von Anfang an klar gewesen, dass er mit seinem Betrieb beim Quereinsteigerprojekt mitmache, sagt Schneider. Auf die Corona-Jahre ist er schlecht zu sprechen. Erst jetzt, 2022, gehe es wieder bergauf. «Wir müssen jetzt ausbilden, ausbilden, ausbilden.» Das Ziel des Quereinsteigerprojekts müsse sein, dass die Leute nach dem Jahr nicht wieder aufhören, sondern weiterhin im Betrieb arbeiten.

Sie träumt von einem eigenen Kaffee

Fähndrich verdient im Moment nicht massgeblich weniger, als der Mindestlohn für einen Koch mit abgeschlossener Lehre beträgt, der im Gesamtarbeitsvertrag auf 4203 Franken Brutto pro Monat festgelegt ist. Mitte April ist sie mit ihrer Freundin, den vier Katzen und dem Hund – ein Chihuahua – nach Lachen gezogen, um näher bei der Arbeit zu sein. Ihre Freundin arbeitet einen Tag pro Woche in Bern, die restlichen im Homeoffice.

Natürlich sei es für ihre Freundin ungewohnt, dass sie erst um 23, 24 Uhr nach Hause komme, sagt Fähndrich. «Dafür bin ich am Morgen länger zu Hause und komme für die Zimmerstunde heim.» Die beiden träumen manchmal davon, vielleicht irgendwann gemeinsam ein eigenes Café zu führen. «Doch das ist Zukunftsmusik.»

Ein Pilotprojekt mit Pioniercharakter

Schweizer Hotels sind in Not. Denn was den Wirtschaftsstandort unseres Landes als Ganzes bedroht, trifft den Tourismus besonders hart: der Fachkräftemangel. Drei von vier Hotels finden keine Leute.

Der Dachverband Hotelleriesuisse lässt deshalb seit April im Rahmen eines Pilotprojekts im Kanton Zürich Quereinsteiger im Bereich Rezeption und Küche ausbilden. Das Programm dauert ein Jahr und sieht – ähnlich einer Lehre – 80 Prozent Arbeit in einem Betrieb und 20 Prozent Schule vor. Voraussetzung ist ein Lehrabschluss oder eine Matur.

«Wir waren positiv überrascht, wie viele Personen sich für das Programm interessieren», sagt Janine Bolliger vom Projektteam. Statt der erwarteten 50 Personen meldeten sich 500 Interessierte. 150 davon wollten sich danach bewerben. Das seien weit mehr gewesen, als die 23 Hotels, die beim Projekt mitmachen, hätten aufnehmen können, sagt Bolliger.

Schlussendlich erhielten von den 150 Bewerbern 24 den Vertrag mit einem der Hotels und wurden ins Quereinsteigerprogramm aufgenommen. Man wolle es so bald wie möglich ausweiten, sofern sich ein Erfolg abzeichne, sagt Bolliger. Das heisst unter anderem, dass die Quereinsteiger längerfristig eine Stelle finden.

Das SonntagsBlick Magazin hat drei Quereinsteiger an ihrem Ausbildungsort besucht, sie die ersten Monate Ausbildung rekapitulieren lassen und mit ihnen über die Motivation gesprochen, jetzt in diese arg gebeutelte Branche einzusteigen.

Schweizer Hotels sind in Not. Denn was den Wirtschaftsstandort unseres Landes als Ganzes bedroht, trifft den Tourismus besonders hart: der Fachkräftemangel. Drei von vier Hotels finden keine Leute.

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«Wir waren positiv überrascht, wie viele Personen sich für das Programm interessieren», sagt Janine Bolliger vom Projektteam. Statt der erwarteten 50 Personen meldeten sich 500 Interessierte. 150 davon wollten sich danach bewerben. Das seien weit mehr gewesen, als die 23 Hotels, die beim Projekt mitmachen, hätten aufnehmen können, sagt Bolliger.

Schlussendlich erhielten von den 150 Bewerbern 24 den Vertrag mit einem der Hotels und wurden ins Quereinsteigerprogramm aufgenommen. Man wolle es so bald wie möglich ausweiten, sofern sich ein Erfolg abzeichne, sagt Bolliger. Das heisst unter anderem, dass die Quereinsteiger längerfristig eine Stelle finden.

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