Rolf Knie erinnert sich an verstorbenen Clown vom Zirkus Conelli
«Gaston und ich waren ein Dream-Team»

Er schrieb Schweizer Unterhaltungsgeschichte, wurde von Fürst Rainier ausgezeichnet und verzauberte das Publikum bis fast zuletzt. Gaston Häni war der grösste Schweizer Zirkusclown der Neuzeit. Ein Nachruf seines langjährigen Weggefährten Rolf Knie.
Publiziert: 24.12.2023 um 00:57 Uhr
*Rolf Knie

Denk ich an Gaston, denk ich an eine der aufregendsten und schönsten Zeiten meines Lebens. Es war in den 1970er- und 1980er-Jahren, als wir während 15 Jahren zusammen auftraten – und unter anderem im Circus Knie 30 Clown-Nummern miteinander spielten. So etwas gibt es heute nicht mehr.

Solidarität, Respekt und Zusammengehörigkeitsgefühl. Das sind Stichworte, die mir zu Gaston einfallen. Obwohl sich unsere Wege 1987 trennten, blieben wir in Kontakt. Es war zu unseren gemeinsamen Bühnenzeiten zwischen uns wie in einer Ehe. Wenn man sich blind versteht, den Partner spürt, funktioniert es im Scheinwerferlicht am besten. Das war das A und O in unserer Zusammenarbeit. Wir konnten alles gemeinsam machen. Die «Ehe» konzentrierte sich aber vor allem auf das Berufliche: Neben der Manege lebten wir beide unser eigenes Leben. Natürlich gingen wir nach der Vorstellung gelegentlich auf ein Bier. Aber grundsätzlich trennt man im Zirkus Beruf und Privatsphäre. 

Er begeisterte in der Manege mit Roli
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Clown Gaston ist tot:Er begeisterte in der Manege mit Roli

Wir brachten die perfekte Mischung in die Manege

Aber so richtig konsequent verlief diese Trennung nicht. Ich schleppte Gaston an viele Anlässe mit. Einmal reisten wir sogar zusammen nach Indien. Für Gaston standen die Türen bei mir immer offen – sperrangelweit. Ob es Gaston Häni ohne Rolf Knie je zu dieser Popularität geschafft hätte – oder Rolf Knie ohne Gaston Häni? Das kann ich nicht sagen. Fakt aber ist, dass ich den Zugang zur Komik durch Gaston fand. Ich hatte noch nie einen so guten jungen Clown wie Gaston Anfang der 1970er-Jahre gesehen. Ich war immer davon ausgegangen, dass es ein gewisses Alter braucht, um als Clown zu arbeiten. Gaston aber überzeugte mich vom Gegenteil. Daraus entstand meine Lust an der Komik. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.

Spielten 15 Jahre lang gemeinsam den Clown: Gaston Häni (l.) und Rolf Knie junior, hier auf dem Cover des Circus-Knie-Programmhefts von 1980.
Foto: Keystone
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Allein hätte ich als Clown wohl nicht existieren können. Aber die Mischung, die Gaston und ich zusammen in die Manege brachten, stimmte perfekt. Gaston war ebenfalls kein Solist – aber zusammen waren wir das perfekte Doppel – oder neudeutsch ausgedrückt: Wir waren ein Dream-Team. Heute kann ich sagen: Gaston war der letzte echte Zirkusclown der Schweiz. Dass er 1976 am Zirkusfestival von Monte-Carlo von Fürst Rainer ausgezeichnet wurde, war hochverdient.

Wir spielten immer die Hauptrollen

In unserer Zusammenarbeit waren die Rollen immer klar verteilt. Ich war der «Motor» des Programms. Gaston spielte die Rolle des ersten Augusts. Aufgrund der Dramaturgie gehörten mir die ersten Lacher; Gaston setzte mit seiner unverwechselbaren Mimik und Komik einen drauf: Wir haben uns irrsinnig gut ergänzt, mussten uns nicht mal anschauen, um zu wissen, was der andere machte und dachte. Später kam Pipo Sosman als Weissclown dazu, weil die grossen Zirkusnummern nur zu dritt möglich sind. Vorher hatten Franco oder Louis Knie diesen Part übernommen.

Die Hauptdarsteller blieben aber immer Gaston und ich. Wir konnten wunderbar zusammen improvisieren. Was wir alles machten, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Einmal kam Gaston gar nicht in die Manege, sondern nahm auf der Tribüne Platz. Ich wusste von nichts und realisierte es erst, als mir Pipo sagte: «Ah, heute du allein – aber wir brauchen einen Dritten.» Pipo fragte das Publikum: «Ist jemand da, der diese Rolle übernehmen kann?» Gaston stand auf – und wir spielten die Nummer.

Zirkuskomik war physische Schwerstarbeit

Zirkuskomik war für uns auch physische Schwerstarbeit. Als wir aus der Manege kamen, waren wir klatschnass – wie Sportler nach dem Wettkampf. Wir verausgabten uns total, gingen an die Grenzen. Dabei packte man sich nicht mit Samthandschuhen an. Bei der Box-Nummer haben wir uns in der Manege manchmal richtig vermöbelt. Nicht im Bösen. Aber es kann passieren, dass es dich überkommt. Einmal beförderte mich Gaston sogar ins Reich der Träume: Gaston hatte Kopfweh und bat mich, für einmal nicht so hart zuzuschlagen. Aber ich knallte absichtlich noch fester. Dann hat mir Gaston gesagt: «Hör auf, sonst passiert etwas.» Ich wollte nicht hören und kriegte die Quittung. Gaston schlug so heftig zu, dass ich für einen Moment das Bewusstsein verlor.

Wir wagten den Schritt auf die Theaterbühne

1984 – nach 15 Jahren Zirkus – hatten wir das Gefühl, dass wir uns wiederholen. Wir wollten uns auf der Theaterbühne versuchen: für uns absolutes Neuland. Aber die Gunst der Stunde verschaffte uns die Möglichkeit, mit Jiri Menzel zusammenzuarbeiten, einem grossen Regisseur aus der Tschechoslowakei. Doch der Weg auf die Theaterbühne blieb steinig: Wir machten in den Proben zum Teil haarsträubende Fehler. Aber wir lernten dank Menzel aus diesen Fehlern. Gaston und ich realisierten schnell, dass die Theaterschauspielerei eine Geduldsarbeit ist: Für zwei neue Programm-Minuten war ein ganzer Arbeitstag nötig. Aber steter Tropfen höhlt den Stein – auch auf der Bühne. Und am Schluss stand das Stück «Wir machen Spass». 

Im April 1984 feierten wir im Schauspielhaus Zürich eine umjubelte Premiere und starteten zum Triumphzug durch das deutschsprachige Europa. Die Deutschlandpremiere am Schauspielhaus Bochum unter dem grossen Claus Peymann leitete eine denkwürdige Tournee ein. Wir Komiker aus der «kleinen» Schweiz füllten unter anderem das Volkstheater in München und das Thalia-Theater Hamburg. Während drei Monaten spielten wir in Wien – immer vor ausverkauften Rängen. Insgesamt zeigten wir «Wir machen Spass» 500 Mal und lockten über 200‘000 Zuschauer ins Theater.

Ruhe in Frieden, lieber Gaston!

Doch im echten Leben ist es wie auf der Showbühne – selbst die schönste Geschichte geht einmal zu Ende. Pipo, Gaston und ich lebten uns auseinander, weil wir an verschiedenen Punkten unserer Karrieren standen. Ich suchte nach neuen Herausforderungen, wollte die Fernseharbeit intensivieren, einen Schritt weitergehen. Pipo und Gaston dagegen sehnten sich nach dem Zirkus. Es sollte der Moment der Trennung werden. Gaston und Pipo heuerten beim Circus Nock an.

Es war für uns als Trio der letzte Vorhang. Und seit dieser Woche steht fest: Es wird nie mehr zu einem Comeback kommen – zumindest nicht zu einem irdischen. 

Lieber Gaston, ruhe in Frieden, mein Freund. Ich verneige mich vor Dir und Deinem Lebenswerk. Dein Lachen und Deine Mimik sind unsterblich. Ich werde Dich nie, nie vergessen.

* Rolf Knie ist ein Schweizer Kunstmaler, Artist und Schauspieler. 1972 bis 1986 machte er als Clown Karriere – zusammen mit Gaston Häni. Das Traumpaar der Schweizer Komik trennte sich 1987 nach 15 Jahren. Ihre Freundschaft hielt ein Leben lang. 

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