Schweiz - Palästina
Schweiz hatte geheimes Stillhalteabkommen mit palästinensischer PLO

Die Schweiz hat 1970 mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ein geheimes Stillhalteabkommen getroffen. Der damalige SP-Bundesrat Pierre Graber soll dazu den PLO-Aussenbeauftragen in Genf getroffen haben, wie Marcel Gyr in seinem neuen Buch schreibt.
Publiziert: 20.01.2016 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 04:16 Uhr

Die Vereinbarung zwischen Farouk Kaddoumi und einer inoffiziellen Schweizer Delegation um Graber wurde als Reaktion auf mehrere Terroranschläge in der Schweiz getroffen. Der schwerwiegendste davon war der Bombenanschlag auf eine Swissair-Maschine, die im Februar 1970 bei Würenlingen AG abstürzte und 47 Menschen das Leben kostete.

Graber, Aussenminister zwischen 1970 und 1978, traf Kaddoumi im Herbst 1970 in einem Genfer Hotel, wie NZZ-Reporter Marcel Gyr in seinem Buch «Schweizer Terrorjahre» schreibt. Das Buch erscheint am Donnerstag.

Inhalt der Gespräche war demnach ein Stillhalteabkommen: Die Palästinenser sorgten dafür, dass die militanten palästinensischen Gruppen keine weiteren Anschläge auf Schweizer Ziele verübten. Die Schweiz sicherte der damals als Terrororganisation eingestuften PLO im Gegenzug per Handschlag Unterstützung auf internationalem Parkett zu.

Die Mission war mit der Landesregierung offenbar nicht abgesprochen. Den Kontakt zwischen SP-Bundesrat Graber und PLO-Exekutivausschussmitglied Kaddoumi hatte der damalige SP-Nationalrat Jean Ziegler hergestellt.

Im Jahre 1977 fällte der Bundesrat einen positiven Grundsatzentscheid über Kontakte zwischen dem Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und der PLO. Bereits ab 1974 hatte die Organisation einen Beobachterstatus bei der UNO inne. Kaddoumi wurde 1981 erstmals in Bern vom damaligen Bundesrat Pierre Aubert empfangen. Bundesrat Pierre Graber starb im Jahr 2003.

Die PLO wurde im Juni 1964 gegründet als lose Dachorganisation der zahlreichen palästinensischen Guerillagruppen, die sich dem bewaffneten Kampf gegen den jungen Staat Israel verschrieben hatten. Fatah-Gründer Jassir Arafat wurde im Februar 1969 der Vorsitz anvertraut, den er bis zu seinem Tod 35 Jahre später innehatte.

In den 1970er Jahren agierte die PLO mit bewaffneten Angriffen auf Ziele in Israel und im Ausland. Auch die Schweiz war betroffen. 1969 überfielen Attentäter in Kloten ZH ein Flugzeug der israelischen Gesellschaft El Al und töteten den Piloten.

Im Februar 1970 explodierte im Frachtraum einer Swissair-Coronado, die sich auf dem Flug von Zürich nach Tel Aviv befand, kurz nach dem Start eine Bombe. Die Maschine stürzte in einen Wald bei Würenlingen AG und explodierte. Alle 47 Insassen wurden getötet. Eine palästinensische Terrorgruppe übernahm die Verantwortung.

Laut der Bundesanwaltschaft handelte es sich bei den mutmasslichen Attentätern um die beiden jordanischen Staatsangehörigen Kaddoumi Sufian Radi und Mass Badawi Jahwer. Die Ermittlungen blieben ohne Erfolg und wurden im November 2000 eingestellt. Die Bombe hätte eigentlich in einem israelischen Flugzeug hochgehen sollen, gelangte aber wegen einer Frachtumleitung in die Swissair-Maschine.

Im September 1970 entführte ein Spezialkommando der PLO-Splittergruppe palästinensische Volksbefreiungsfront (PFLP) eine Swissair-Maschine mit 157 Menschen an Bord ins jordanische Zerqa. Mit den Geiseln pressten sie sieben inhaftierte Gesinnungsgenossen frei.

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