Schweizer Praxis eine «absolute Besonderheit»
Gefesselte Ausschaffungen auf Rekordkurs

Bei Ausschaffungen zeigt die Schweiz wenig Skrupel. In vielen Fällen werden Personen gefesselt aus dem Land gebracht. Das sorgt für Kritik.
Publiziert: 27.08.2017 um 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:31 Uhr

Die Schweiz steuert auf einen neuen Rekord zu: Im ersten Halbjahr 2017 mussten bereits in 34 Fällen Personen mit einem sogenannten Sonderflug aus dem Land geschafft werden. Der bisherige Höchstwert von 67 Flügen aus dem letzten Jahr dürfte voraussichtlich schon bald überschritten werden.

Die Sonderflüge sind die ultimative Massnahme der Behörden bei der Ausschaffung von Personen. Zum Einsatz kommen dabei wenig zimperliche Methoden, wie ein Bericht der «SonntagsZeitung» zeigt. In 82 Prozent der Fälle werden die Betroffenen vor und teilweise auch auf dem Flug von der Polizei gefesselt.

Einzelfälle noch und noch?

Gedacht ist diese Massnahme eigentlich für extreme Einzelfälle. Auszuschaffende sollten nicht präventiv oder gar systematisch gefesselt werden, sondern nur im Falle einer Selbst- oder Fremdgefährdung, so ein Entscheid der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD).

Die Fälle, in denen Personen gefesselt aus der Schweiz geschafft werden, steuern auf einen neuen Rekord zu. (Symbolbild)
Foto: Gaetan Bally

Dass der Wert nun aber derart hoch liegt, alarmiert die Beobachter. Für Leo Näf, Vize-Präsident der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), handelt es sich bei der Fesselung der Menschen um einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit. «Dafür muss es immer einen konkreten Anlass geben» sagt er gegenüber der «SonntagsZeitung».

«Die Praxis ist vermutlich tief verankert»

Auch für Günter Ecker ist die Handhabung der Schweiz aussergewöhnlich. Der Österreicher begleitet seit Jahren Rückführungsflüge der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex. Er bezeichnet teilweise komplette Fesselung der Personen bei der Ausschaffung aus der Schweiz als «absolute Besonderheit». «Vermutlich ist diese Praxis, dass man auf Nummer sicher gehen will, immer noch tief verankert bei den Beamten.»

Ecker ist überzeugt, dass Ausschaffungen in den meisten Fällen auch ohne Extremmassnahmen funktionieren. «Wenn man Rückzuführenden korrekt begegnet, die Unabänderlichkeit der Ausschaffung klarmacht und aufzeigt, dass es auch ohne Zwang geht, dann kommt man vielfach ohne Fixierungsmassnahmen aus.»

Trotz des voraussichtlichen Anstiegs bei den Sonderflügen ist die Zahl der Ausschaffungen gegenüber dem Vorjahr am sinken. Im ersten Halbjahr 2016 mussten noch fast 3500 Personen die Schweiz verlassen. Im gleichen Zeitraum sind es 2017 nur noch 2870 Fälle. Hinzu kommen 903 Personen, die das Land nach einem entsprechenden Urteil freiwillig verliessen. (cat)

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