Selvarajah Selliah (57) geriet mit fünf Richtigen und 45'914 Franken Gewinn an den Falschen
Vom besten Freund um Euromillions-Gewinn betrogen

Der dreifache Familienvater Selvarajah Selliah tippte bei Euromillions fünf Richtige. Weil er den Abholschein nicht verstand, fragte er seinen besten Freund – doch das war keine gute Idee.
Publiziert: 23.04.2022 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2022 um 18:04 Uhr
Beat MIchel

In der spartanisch eingerichteten Wohnung setzt sich Selvarajah Selliah (57) zu seiner Frau Manohari (50) auf das Sofa. Er hält sich mit beiden Händen den Kopf und schluchzt. Wenn er über den entgangenen Euromillions-Gewinn spricht, sinkt seine Stimmung ins Bodenlose. Er sagt: «Hätte ich doch nur meiner Frau den Zettel gegeben und nicht einem Freund.» Die Ehefrau nickt und lächelt traurig.

Zwei Jahre ist es her, dass der tamilische Küchengehilfe am Kiosk des Coop in Unterägeri ZG einen Euromillions-Schein für 18 Franken und 50 Rappen ausfüllte. Sein Tipp am 20. März 2020: 9, 23, 35, 41 und 44. Alle richtig! «Ich freute mich unglaublich. So sehr, dass ich nervös wurde. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wir hätten das Geld so gut gebrauchen können, es hätte unser Leben so viel einfacher gemacht.»

Sein erster Schritt war richtig: Er ging zum Kiosk und wandte sich an die Kioskmitarbeiterin. Sie übergab ihm das Formular mit dem Titel «Gewinneinforderung». Der zweite Schritt aber war falsch: Er bat seinen Landsmann Amit F.* (59) um Hilfe, weil er den Text nicht verstand.

Selvarajah (57) und seine Frau Manohari Selliah (50) wurden von einem langjährigen Freund übers Ohr gehauen. Der holte mit ihrem Lottoschein 45'914.95 Franken ab. Den wahren Gewinner speiste er mit 2270 Franken ab.
Foto: Beat Michel
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Beste Freunde seit 30 Jahren

«Wir beide sind vor über 30 Jahren von Sri Lanka in die Schweiz geflüchtet. Er war mein langjähriger und bester Freund. Ich vertraute ihm voll. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich beklaut», sagt Selvaraja Selliah zu Blick. «Ich übergab ihm den Lottoschein und das Formular. Er versprach mir, alles zu erledigen. Er verlangte nicht einmal eine Prämie dafür.»

Doch bei F. klingelte im Hinterkopf schon die Kasse. «Er richtete es von Anfang an so ein, dass er den Gewinn kassiert, ohne dass ich es merke», weiss Selliah jetzt. Er begründet: «Er füllte alles unter seinem Namen aus. Und gab seine E-Mail-Adresse an, um Fragen zu beantworten.»

Misstrauen wegen Löschungswunsch

Swisslos überwies F. am 6. April 2020 die 45'914 Franken und 95 Rappen auf sein Bankkonto. Eine Woche später hob der damals arbeitslose Tamile 2270 Franken ab und übergab sie Selvaraja Selliah in bar. Im Glauben, dass das der ganze Gewinn sei, schenkte ihm der Gewinner sogar noch 200 Franken. F. nahm das Geld dankend entgegen – und wollte sogleich auf Selliahs Handy das Foto des Lottoscheins löschen. «Da wurde ich misstrauisch», sagt der echte Lottogewinner. «Ich weigerte mich und stellte Nachforschungen an.»

Schnell sah Selvaraja Selliah, wie viel Geld sein Kumpel abgezweigt hatte. Er erinnert sich: «Ich verlangte, dass er mir sofort den ganzen Gewinn auszahlt. Er erfand aber immer neue Lügen, warum er das gerade nicht machen kann. Er wollte es möglichst lange hinauszögern. Schliesslich stellte ich ihm ein Ultimatum und ging zur Polizei.»

Vor der Zuger Polizei behauptete F., ihm stehe der Gewinn rechtmässig zu. Doch die IT-Forensik der Untersuchungsbehörden überführten ihn. Per Strafbefehl spricht die Zuger Staatsanwaltschaft F. Ende Februar der Veruntreuung schuldig und belegt ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 12'600 Franken und einer Busse von 3150 Franken. F. zog den Strafbefehl nicht weiter, er ist somit rechtskräftig.

Wo sind die 43'644 Franken?

F. will sich gegenüber Blick nicht zur Sache äussern. Er verrät auch nicht, wofür er das Geld ausgegeben hat. Freunde von ihm sagen, er habe vor allem Schulden zurückgezahlt. Sie hätten sich schon gefragt, woher plötzlich das viele Geld kam.

Selvarajah und Manohari Selliah müssen auf dem Zivilweg für ihren Gewinn kämpfen. Was das heisst, wissen sie noch nicht. «Wir haben kein Geld für einen Anwalt. Wir stehen jetzt am gleichen Ort wie vor zwei Jahren. Ich muss einen Freund fragen», sagt er traurig.

* Name geändert

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