«Sharenting» macht Nachwuchs zum Like-Objekt
Kinderfotos im Netz werden zum Fall für die Kesb

Manche Eltern machen alles für Erfolg auf den Sozialen Medien. Zur Not zeigen sie dafür auch ihre eigenen Kinder in allen erdenklichen Situationen. Solche Fälle beschäftigen mittlerweile auch die Behörden.
Publiziert: 12.05.2019 um 09:55 Uhr
|
Aktualisiert: 12.05.2019 um 10:04 Uhr

Es sind drastische Massnahmen, zu der die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) im Kanton Bern greifen musste: Weil eine Grossmutter nicht aufhören wollte, Fotos von sich mit der siebenjährigen Enkeltochter ins Netz zu stellen, obwohl die Mutter des Kindes dies so wünschte, mussten die Behörden aktiv werden. Zuerst mit einem Schreiben, dann mit einer Strafandrohung sollte die Grossmutter endlich zur Vernunft gebracht werden. Das berichtet die «Sonntagszeitung».

Probleme mit Kinderfotos auf Sozialen Medien oder sonst im Internet sind heute keine Seltenheit mehr. Oft müsste eingeschritten werden, wenn die Eltern zerstritten seien und die Mutter oder der Vater die Löschung von Kinderbildern verlange, erklärt Charlotte Christener, Präsidentin der Kesb Bern, gegenüber der Zeitung.

Kinder als Objekt für Likes

Bilder von Babys und Kindern schwirren im Netz zu Tausenden herum. Nicht immer sind sie dabei in vorteilhaften Situationen abgebildet. Manchmal machen sich Eltern sogar lustig über ihre Kinder und verbreiten den vermeintlichen Spass dann auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter oder Snapchat. Der neudeutsche Begriff für dieses Phänomen lautet «Sharenting» – eine Zusammensetzung der Wörter «parenting» (Erziehung) und «sharing» (teilen). Die eigenen Kinder werden dabei für Eltern zum nützlichen Objekt, um in den Sozialen Medien Kommentare und Likes zu generieren.

Oft stellen Eltern aus Stolz Bilder ihrer Kinder ins Netz. Manchmal geschieht dies aber auch, um Likes zu ergattern.
Foto: Getty Images
1/8

Für die Kinder bleibt diese Entwicklung nicht ohne Folgen. In einer Analyse der Zeitschrift «Jusletter» schreiben Datenschutzexpertin Sandra Husi-Stämpli und die Kinderanwältin Rita Jedelhauser: «Das System der Likes begünstigt ein immer tieferes Eindringen und Verletzen der Privatsphäre von Kindern.» Praktisch immer, wenn Eltern Bilder ihrer Kinder posten, würden sie auch deren Persönlichkeitsrechte verletzen. Der Rat der Autorinnen: Eltern sollten ganz allgemein auf die Veröffentlichung von identifizierbaren Kinderbildern im Internet verzichten.

Schaden für die Zukunft

Selbst das UNO-Kinderhilfswerk Unicef hat das «Sharenting» bereits thematisiert. Eltern könnten damit «dem Ruf der Kinder schaden». Unvorteilhafte oder gar entwürdigende Aufnahmen könnten später «der Kreditwürdigkeit der Kinder in der Wirtschaft schaden» und gar bei der späteren Stellensuche hinderlich sein. Und nicht zuletzt sind Kinderfotos im Netz eine potenzielle Gefahr, da sie auch von Pädophilen missbraucht werden können. (cat)

Kesb sollen besser erklären, was sie tun
1:39
Neue Studie zeigt Massnahmen für Behörden auf:Kesb sollen besser erklären, was sie tun
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?