Wirtschaftspsychologe Christian Fichter (50) sieht 50-Franken-Gutscheine kritisch
Prämie macht Skeptiker noch skeptischer

Eine Impf-Prämie, wie sie der Bundesrat vorsieht, hält Sozial- und Wirtschaftspsychologe Christian Fichter (50) für kontraproduktiv. «Man will ja auch nicht käuflich sein», sagt er.
Publiziert: 07.10.2021 um 01:32 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2021 um 18:01 Uhr
Michael Sahli

Wie kann man Unentschlossene von der Impfung überzeugen? In der Schweiz will es der Bundesrat unter anderem mit finanziellen Anreizen probieren. Konkret: Wer jemanden vom Corona-Piks überzeugen kann, soll 50 Franken kassieren (Blick berichtete).

Der Sozial- und Wirtschaftspsychologe Christian Fichter (50) hält das für eine schlechte Idee, wie er gegenüber Blick sagt. «Ich bin der Meinung, dass eine Impf-Prämie nicht funktioniert.» Ausser vielleicht bei ein paar wenigen.

«Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass man mit einer Prämie einige Junge erreicht, die nach Beendigung von Lockdown und Ausgeh-Verbot nicht mehr so einen hohen Leidensdruck haben.» Bei allen anderen seien 50 Franken höchstens ein «Zäukeln», so Fichter weiter. «Man will ja auch nicht käuflich sein. Und wenn, dann nicht für 50 Franken. Bei 1000 Franken würde es dann wieder anders aussehen.»

Dr. Christian Fichter, Sozial- und Wirtschaftspsychologe sowie Forschungsleiter der Kalaidos Fachhochschule, schlägt das Ende der Gratis-Impfung vor.
Foto: zVg
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Die Impfung soll richtig teuer werden

Bei vielen Impf-Zögerern dürfte eine Prämie sogar kontraproduktiv sein, ist der Experte überzeugt: «Jetzt impfen wir uns, um uns selbst, aber auch die Gesellschaft um uns herum zu schützen. Dass die Impfung sinnvoll ist, ist gesellschaftlicher Konsens. Mit finanziellen Anreizen macht man diesen Konsens wieder verhandelbar. Man kann sich quasi das Recht ‹erkaufen›, der Gesellschaft ein bisschen zu schaden. Das ist ein falsches Signal.»

Dazu kommt: Wer jetzt sowieso schon kritisch gegenüber der Impfung ist, dürfte durch das 50-Franken-Zückerchen nur noch misstrauischer werden.

Natürlich gäbe es andere Anreizsysteme: «Man könnte sagen: Im Dezember kostet die Impfung 50 Franken, ab März 100 und dann graduell vielleicht bis 500 Franken. So wird auch der Wert der Impfung vermittelt. Und man könnte fast so etwas wie einen Black-Friday-Effekt erzeugen.» Man könnte auf diese Weise signalisieren, dass die Impfung eigentlich etwas Wertvolles sei, das nur aufgrund einer Notsituation gratis angeboten werde.

«Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft zusammenhält»

Vor allem brauche es aber weiterhin: Überzeugen, überzeugen, überzeugen. «Es dauert seine Zeit, Menschen zu überzeugen. In der Schweiz gab es in der Vergangenheit einen Mangel an Mangel. Wir tendieren dazu, uns erst zu bewegen, wenn es uns unter dem ‹Füdli› brennt.»

Auch bei anderen Bereichen wie der Kampagne gegen das Rauchen oder dem Kampf gegen den Klimawandel könne man eine sehr träge Reaktion der Menschen beobachten, so Fichter: «Die Gesellschaft muss sich diese Zeit zum Überzeugen aber nehmen. Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft zusammenhält.»

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