Blausee-Besitzer ermittelt mit
«Es hat mir Angst gemacht»

Blausee-Präsident Stefan Linder hilft bei der Aufklärung des Umweltskandals im Steinbruch Mitholz tatkräftig mit. Er sichert Beweise und ermittelt auf eigene Faust. Hat er dabei Grenzen überschritten? Nein, sagt er entschieden.
Publiziert: 31.01.2021 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2021 um 21:42 Uhr
Reza Rafi

Wer ist verantwortlich für das Forellensterben im Blausee? Justiz und Polizei arbeiten auf Hochtouren, um diese Frage zu klären.

Wie sich herausstellt, ist ein weiterer Akteur namhaft an den Ermittlungen beteiligt: Stefan Linder (53) ist Verwaltungsratspräsident und zu einem Drittel Teilhaber der Blausee AG. Der bestens vernetzte Wirtschaftsmann ist ein Macher und Initiator, unter anderem gründete er zusammen mit einem Partner das Swiss Economic Forum.

Ist illegal gelagertes Material schuld an den toten Fischen?

Offenbar hat Linder auch das Zeug zum Sherlock Holmes. Er recherchierte über die Angestellten einer Transportfirma, betrieb Nachforschungen über verdächtige Unternehmen, entnahm Wasserproben auf dem benachbarten Steinbruch, sammelte Drohnenbilder, lieferte den Strafverfolgungsbehörden neue Erkenntnisse und Beweise – und stand mit Auskunftspersonen in Kontakt.

Stefan Linder (M.) und die Mitbesitzer Philipp Hildebrand (l.) und André Lüthi im Blausee.
Foto: STEFAN BOHRER
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So geht es aus polizeilichen Einvernahmeprotokollen hervor, die SonntagsBlick vorliegen. In den Dokumenten wird von mehreren Personen bestätigt, dass sie in Kontakt mit Linder sind und er sie kontaktiert und zu den Sachverhalten befragt hat. Manches liest sich wie Szenen aus einem Vorabendkrimi.

Die drei Besitzer der Blausee AG – neben Linder Globetrotter-Chef André Lüthi (60) und Blackrock-Vizepräsident Philipp Hildebrand (57) – sind überzeugt, dass illegal gelagertes Material aus dem Lötschberg Scheiteltunnel und giftiger Pressschlamm im Steinbruch Mitholz der Grund sind für toten Fische und den geschätzten Schaden von zwei Millionen Franken. Der Kanton Bern hingegen stellt die Sache differenzierter dar.

Die laufenden Untersuchungen werden hoffentlich bald Klarheit schaffen.

Transportfirma durchleuchtet

Besonders aufhorchen lassen die Äusserungen einer 34-Jährigen, die bis vor drei Jahren als Lastwagenchauffeurin im Auftrag für eines der beschuldigten Unternehmen Pressschlamm in den Steinbruch in Mitholz befördert haben soll. Linder hat sie offenbar als jene ausgemacht, die giftigen Schlamm transportierte.

Am 10. November 2020 gab die junge Frau in der Wache Herzogenbuchsee preis, wie Linder sie am 4. November telefonisch kontaktiert und aufgefordert habe, ihn zu treffen und sie zu motivieren, mit der Polizei zu kooperieren.

Sie kenne Linder nicht, sagt sie den Beamten. «Er meinte, dass er dort ermittle.» Thematisiert wurde auch, «dass er jahrelang Mitglied einer Sondereinheit gewesen sei», wird sie weiter zitiert. «Er sei in Polizeikreisen bestens bekannt.» Sie sei auch beeindruckt gewesen, «weil er alles über mich wusste».

Linders Aufforderung, ihn zu treffen, kommt die Frau dann aber nicht nach. Worauf er ihr per Whatsapp-Nachricht geschrieben haben soll: «Ich möchte Ihnen erläutern, was das konkret bedeutet.» Für die Befragte «klang das wie eine Drohung».

«Es hat mir Angst gemacht»

Anscheinend hat Linder die Transportfirma durchleuchtet, für die sie tätig war. Kontaktiert hat er mutmasslich auch die Vorgesetzten der Frau – «Ich weiss nicht, was Herr Linder meinem Chef und meiner Chefin gesagt hat, aber ich habe beide noch nie so in Panik erlebt.»

Auf die Frage, warum sie Linder nicht treffen wollte, antwortete sie: «Es war mir nicht geheuer. Es hat mir Angst gemacht.»

Ob sie die Wahrheit sagt, bleibt offen. Fest steht, dass Linder die Frau mit Whatsapp-Nachrichten und versuchten Anrufen auch an den Wochenenden behelligte. Entsprechende Screenshots liegen SonntagsBlick vor.

Die Aussagen der 34-Jährigen haben die Steinbruch-Betreiberin SHB dazu bewogen, am 16. Dezember Strafanzeige gegen Linder einzureichen. Für den Angezeigten gilt die Unschuldsvermutung.

Bei einer späteren Befragung der Frau am 14. Dezember in Thun BE wiederholt sie ihre Darstellung: «Er hat mir gegenüber sehr viel Druck ausgeübt.»

«Von Drohungen kann keine Rede sein»

Auch ein anderer Zeuge gibt am 14. Januar zu Protokoll, mit Linder in Kontakt gestanden zu haben: «Wir haben uns kurz darüber unterhalten, was ich sage und was ich nicht sage.»

Auch bei einer Zeugeneinvernahme am 15. Januar taucht Linders Name prominent auf: «Also gut, ich habe mit ihm gesprochen», gibt der Fischmeister vom Blausee zu Protokoll.

Linder bestreitet die Vorwürfe der Steinbruchbetreiberin vehement: Er habe zwar mit Zeugen geredet – diese aber nur zur Kooperation mit den Behörden bewegt und dazu, die Wahrheit zu sagen. «Von Drohung kann keine Rede sein, von diesem Vorwurf distanziere ich mich vehement.»

Linder hatte im September in Zürich Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht und die Untersuchung ins Rollen gebracht. Und sagt: «Ich unternahm seither jeden Schritt in Absprache mit der Kantonspolizei Zürich.»

Ihm sei «eine lückenlose Aufklärung des Umweltskandals» in Mitholz wichtig, betont Linder weiter. «Der Steinbruch ist eine Abbaustelle und keine Deponie.» Dieser illegale Abladeplatz müsse «dringend saniert werden» und die Verantwortlichen die Sache wieder in Ordnung bringen. Er sei «an der umfassenden Wahrheitsfindung interessiert».

Was Stefan Linders Partner von seinem Vorgehen halten, um den Fall aufzuklären, ist nicht bekannt. Die beiden Geschäftspartner von Stefan Linder stellen sich vorbehaltlos hinter ihn und verlangen ebenfalls die lückenlose Aufklärung des Umweltskandals.

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