«Wir haben zu wenig Wasser, um Futter zu produzieren»
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Tessiner leidet unter Dürre:«Wir haben zu wenig Wasser, um Futter zu produzieren»

Tessiner Bergbauern sorgen sich um Jahrhundertdürre
«Wenn es nicht bald regnet, wird es keinen Käse geben»

Vier Monate Sonne und kein bisschen Regen. Die winterliche Rekord-Trockenheit zieht sich in den Frühling hinein. Die Dürre bedroht den Weinanbau, Plantagen und die Alpwirtschaft. Sogar der Kastanienbaum muss kämpfen.
Publiziert: 25.03.2022 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2022 um 13:20 Uhr
Myrte Müller

Über die Prognosen von Meteo Schweiz kann sich zurzeit wohl nur der Tourismus freuen. Nach vier Monaten hartnäckiger Trockenheit im Südkanton dominiert noch immer Kaiserwetter. Keine Wolke weit und breit. Es fällt nicht ein Regentropfen. Schön für Spaziergänge. Für die Landwirtschaft sind das alles andere als sonnige Aussichten.

«Ich bin sehr besorgt über die anhaltende Dürre», sagt Sem Genini (45) vom kantonalen Bauernverband, «wenn wir nicht in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten Regen haben, dann wird die Situation bedrohlich.» Betroffen seien alle landwirtschaftlichen Bereiche. «Wein-, Gemüse und Obstanbau, Getreidefelder, die Heuproduktion und die Viehwirtschaft», zählt der Tessiner auf.

An den Hängen sind die Bauern auf Quellwasser angewiesen, in den Niederungen zehrt die Landwirtschaft vom Grundwasser. Überall wird das kostbare Nass knapp. «Die Bauern müssen künstlich bewässern», sagt Sem Genini, «das ist kostspielig, besonders bei den steigenden Energiepreisen.»

Ist in grosser Sorge: Bergbauer Marzio Coppini fürchtet, dass die Dürre im Tessin anhält und er seine Kühe nicht mit eigenem Heu ernähren kann. «Auch im Ausland und in der Deutschschweiz wird das Futter knapp», sagt Coppini, «vielleicht muss ich mich von einigen Kühen trennen.»
Foto: Myrte Müller
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Keine Alpwirtschaft, kein Käse

Besonders in Sorge sind Tessiner Bergbauern wie Marzio Coppini (45). Der Tessiner aus dem Maggiatal hat 50 Rinder, 30 davon sind Milchkühe, 20 sind Kälber. Doch wenn die Dürre anhält, weiss der Älpler nicht, ob er seine Herde noch ernähren kann. Die Wiesen vor dem Hof in Giumaglio TI beginnen zu trocknen. «Ohne Wasser wächst das Gras fürs Heu nur schlecht», sagt der Tessiner aus dem Maggiatal. Futterimporte aus Italien oder der Deutschschweiz werden auch schwieriger. In der Gesamtschweiz meldet Meteo Schweiz eine extreme Märztrockenheit. «Dort brauchen sie das Futter für ihre eigenen Tiere.» Sollte das Heu nicht reichen, dann, so der Bauer traurig, «muss ich mich wohl von einigen Kühen trennen.»

Auf der Alp sieht es noch schlechter aus. Marzio Coppini bewirtschaftet Bergweiden bei Cimalmotto und an der Alpe Sfille. «Wenn da kein Schnee ist, dann gibt es keine Wasserreserven», sagt Coppini, «es macht keinen Sinn während der Dürre die Tiere auf die Alp zu treiben.» Keine Alp, kein Käse. Denn für die Käseproduktion müssen die Kühe auf der Alp grasen, wegen der aromatischen Gräser. Doch das Gras in der Höhe ist knochentrocken.

Dürre gefährdet auch Edelkastanie

Nicht nur den Landwirten bereitet die Jahrhundertdürre Kopfschmerzen. Auch Marco Conedera (62) von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL) beobachtet Schäden am Wald wegen des anhaltenden Wassermangels. Gefährdet ist sogar der Kastanienbestand. «Bereits im Sommer 2003 haben wir Welksymptome und verdorrte Kronen an Edelkastanien beobachtet, so Marco Conedera. Jede Dürre gefährde weiter die Tessiner Edelkastanien.


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