Mehrere Wintersportorte müssen Corona-Schutzkonzepte erarbeiten
2:01
Touristiker empört:Diese Wintersportorte müssen Schutzkonzepte nachbessern

Touristiker empört, Beizen verbarrikadiert und Lift stoppt wegen Maskenverweigerer
Ausnahmezustand in Graubündens Skiorten

In Davos herrscht der Ausnahmezustand. Die Stadt startete auf Hochtouren in die Skisaison. Doch dann kam der Lockdown. SonntagsBlick war dabei.
Publiziert: 06.12.2020 um 01:10 Uhr
|
Aktualisiert: 08.04.2021 um 13:56 Uhr
Text: Milena Stadelmann und Danny SchlumpfFotos: Thomas Meier

Deutschland, Frankreich und Italien schliessen die Pisten. Und fordern von der Schweiz: Nachziehen, aber subito! Am Montag machen erstmals Pläne des Bundesrats die Runde: Massive Einschränkungen für die Skigebiete! Ist es mit dem Sonderweg vorbei?

Die Nervosität ist mit Händen zu greifen, als SonntagsBlick am Donnerstag Davos GR besucht. «Alle hier oben hoffen, dass die Pisten über die Festtage offen bleiben», sagt Sportladen-Besitzer Flurin Andrist (32). «Wir sind schon mitten in der Saison!»

Seit fünf Wochen fahren die Bahnen in Davos. Und der Andrang ist gross: Um 9 Uhr ist die Parsennbahn zu zwei Dritteln besetzt. Die Gesichter sind in Masken und Tücher gehüllt. «Es war ein guter Start», sagt Vidal Schertenleib (33), Geschäftsleitungsmitglied der Davos Klosters Bergbahnen. «Die Leute wollen Ski fahren!»

Die Schweiz geht im Vergleich zu den Nachbarländern einen Sonderweg. Der Druck nachzuziehen steigt.
Foto: Thomas Meier
1/22

Zwei Millionen Franken hat Schertenleib in die Revision der Bahnen und die Beschneiung der Hänge investiert. Bis Weihnachten kommt eine weitere Million dazu. Die 450 Angestellten arbeiten auf Hochtouren. «Wir sind ins Risiko gegangen, als der Bundesrat im Herbst einen eigenen Weg für die Schweiz definierte.» Und das Schutzkonzept? «Es funktioniert seit fünf Wochen reibungslos», sagt Schertenleib.

«Die Leute sind diszipliniert»

Die Masken und Tücher bleiben auch auf der Mittelstation auf, wo die Skifahrer zum Sessellift stapfen. «Die Leute sind diszipliniert», sagt Technik-Chef Beni Walder (29). Zur Not setzen seine Mitarbeiter Druck auf. «Letzte Woche brachten wir einen Maskenverweigerer zur Vernunft, indem wir kurzerhand den Lift stoppten.»

Im Restaurant Höhenweg checken die Gäste via QR-Code ein. «Wir haben enormen Auwand betrieben, um die Sicherheit unserer Gäste zu gewährleisten», sagt Restaurant-Chef Johannes Schimberg (46). «Das zahlt sich jetzt aus.» Er habe keine Angst, sich anzustecken, sagt Cyrill Rüegg (24) draussen auf der Terrasse. «Im Zürcher Tram bin ich einer viel grösseren Ansteckungsgefahr ausgesetzt», findet der Jura-Student. Rentnerin Susanne Griesmaier (66) ist vorsichtiger. «Am Wochenende gehen wir nicht auf die Piste», sagt ihr Mann Thomas (71) auf dem Weg zum Weissfluhjoch. Dort, auf 2700 Meter über Meer, weitet sich der Blick auf schneebedeckte Berge unter strahlend blauem Himmel. Seit dreissig Jahren verbringen die Griesmaiers den Winter in ihrer Zweitwohnung in Davos. «Jedes Jahr kommen wir auf diesen Gipfel», sagt Thomas. «Diese Geschichte wollen wir trotz Corona weiterschreiben.» Es ist das Wintermärchen vom Weissfluhjoch.

«Das ist ein Schock»

Doch unten im Ort sind die Leute plötzlich in heller Aufregung. «Dafür habe ich kein Verständnis», sagt Cyrill Ackermann (46), der sichtlich aufgekratzte Chef des Hotels Grischa. Er hat soeben erfahren, dass die Bündner Regierung am Freitag den Lockdown verhängt. «Das ist ein Schock», sagt Ackermann. «Hätte man das nicht früher machen können?» Seit Monaten habe er investiert und seine Restaurants coronakonform gemacht. «Wir haben alles geschluckt – und jetzt das! Was kommt nach diesen zwei Wochen?», fragt er kopfschüttelnd. «Eine dritte? Eine vierte?»

Die Massnahmen, die der Bundesrat am Freitag verkündet, gehen in Graubünden unter. Hier herrscht der Ausnahmezustand. In den sozialen Medien wird dazu aufgerufen, das Regierungsgebäude mit dem Essen zu bewerfen, das wegen der Restaurantschliessungen zu verderben droht. Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff (46) erklärt den Entscheid der Regierung auf allen Kanälen. «Ich verstehe den Aufschrei», sagt er im Interview mit SonntagsBlick. Auch Marina Jamnicki (50) steht unter Hochspannung. «Wir müssen das jetzt tun», sagt die Bündner Kantonsärztin am späten Abend. «Sonst können wir die Festtage nicht mehr retten.» Tourismusdirektor Martin Vincenz (57) zeigt Verständnis: «Natürlich hätten wir lieber offene Restaurants. Aber es ist doch besser, wir schliessen jetzt als über Weihnachten.» Die Chance, dass die Skihänge dann noch offen sind, hält er für intakt. «Das Virus verbreitet sich ja nicht auf den Pisten.»

Trübe Stimmung

Am Samstag ist es grau in Davos. Eine Bise zieht durchs Tal. Die Restaurants sind geschlossen, die Stimmung ist trüb. Der Ort erwacht nur langsam aus der Schockstarre. «Viele Wirte wollten am Samstag öffnen», sagt Flurin Andrist (32) vom Sportgeschäft. «Sie sind am Boden zerstört.» Aber betroffen sei der ganze Ort. «Es ist eine ganze Kette, die gerade auseinanderbricht. Auch unser Geschäft ist ein kleiner Teil dieses Systems, das jetzt ins Wanken gerät.» Wie geht es weiter? «Niemand weiss, was jetzt noch kommt.»

Am Eingang zur Parsennbahn zückt ein rüstiger Rentner einen Schokoriegel aus der Skihose und verkündet tapfer: «Es braucht keine Beiz zum Skifahren!» Das Restaurant Höhenweg ist geschlossen, das Personal zurück in Kurzarbeit. Der Zugang zur grossen Terrasse ist verbarrikadiert. Zu gross die Gefahr, dass hier zur Mittagszeit die Leute dicht an dicht ihr Picknick verzehren.

Das tun sie stattdessen in den Gängen der Bergstation Weissfluhjoch. In kleinen Gruppen kauern sie auf dem Boden und verdrücken ihre Sandwiches. «Es wird nicht einfach», sagt Bergbahnen-Chef Schertenleib. «In den Restaurants herrschte Ordnung, die Wirte haben die Schutzmassnahmen durchgesetzt. Diese Sicherheit fällt jetzt weg.» Er akzeptiere den Entscheid der Regierung. «Aufgeben kommt nicht infrage.»

Unangenehme Überraschung

Draussen, auf dem wolkenverhangenen Gipfel, jagt ein eisiger Wind die Schneeflocken über den Grat. «Natürlich ist es mühsam», sagt Tim Mareischen (22). «Der Besuch in der Beiz gehört zum Skitag dazu.» Mit dem Lockdown habe niemand gerechnet, sagt Enrico Carisch (22). «Warum lässt man nicht wenigstens die Restaurants am Berg offen?» Die Möglichkeit sich aufzuwärmen, fehle an solchen Tagen ganz besonders, finden die beiden Savogniner.

Auch Melissa Stoop (29) war überrascht, als sie vom Lockdown im Bündnerland erfuhr. Da hatte die Zürcherin das Hotel in Davos bereits gebucht, um mit Freund Fabian (32) am Sonntag ihren Geburtstag zu feiern. «Hätten wir nicht gebucht, wären wir nicht gekommen», sagt sie und zieht sich die Maske noch etwas tiefer ins Gesicht. Es ist der Fluch vom Weissfluhjoch.

Tipps fürs Skifahren während Corona

Wer im Corona-Winter aufs Skifahren nicht verzichten möchte, muss sich gut vorbereiten. Die Technik erleichtert einem das. So kann das Onlineticket als Ersatz zum herkömmlichen Billett direkt auf den Swisspass geladen werden; eine Anleitung dazu finden Sie auf den Websites der Anbieter. In jedem Fall empfehlen die Bergbahnen dringend, die Skipässe bereits vor der Anreise zu kaufen. In Andermatt-Sedrun ist das sogar Pflicht: Wer am Wochenende mit der Gemsstock-Bahn fahren möchte, muss sich einen Platz zu einer bestimmten Zeit reservieren. Auf dem Stoos lassen sich auch Parkplätze online reservieren oder Ski mieten.

Auch die Verpflegung muss geplant werden. Aktuell haben die Pistenbeizen im Wallis (bis zum 13. Dezember), in der Waadt (bis 9. Dezember) und Graubünden (bis zum 18. Dezembert) geschlossen. Die Restaurants haben teilweise als Ersatz Take-away-Systeme entwickelt. Wo Beizen geöffnet sind, ist eine Reservation in jedem Fall von Vorteil.

Einige Skigebiete setzen auf Apps, um den Aufenthalt in den Bergen zu vereinfachen. So können in Andermatt-Sedrun mit der Sepp-App Parkgebühren bezahlt werden. In der Aletsch Arena erleichtert die Social-Pass-App die Angabe der Kontaktdaten. Die Skigebiete empfehlen zudem das Benutzen der Swiss-Covid-App.

Wer im Corona-Winter aufs Skifahren nicht verzichten möchte, muss sich gut vorbereiten. Die Technik erleichtert einem das. So kann das Onlineticket als Ersatz zum herkömmlichen Billett direkt auf den Swisspass geladen werden; eine Anleitung dazu finden Sie auf den Websites der Anbieter. In jedem Fall empfehlen die Bergbahnen dringend, die Skipässe bereits vor der Anreise zu kaufen. In Andermatt-Sedrun ist das sogar Pflicht: Wer am Wochenende mit der Gemsstock-Bahn fahren möchte, muss sich einen Platz zu einer bestimmten Zeit reservieren. Auf dem Stoos lassen sich auch Parkplätze online reservieren oder Ski mieten.

Auch die Verpflegung muss geplant werden. Aktuell haben die Pistenbeizen im Wallis (bis zum 13. Dezember), in der Waadt (bis 9. Dezember) und Graubünden (bis zum 18. Dezembert) geschlossen. Die Restaurants haben teilweise als Ersatz Take-away-Systeme entwickelt. Wo Beizen geöffnet sind, ist eine Reservation in jedem Fall von Vorteil.

Einige Skigebiete setzen auf Apps, um den Aufenthalt in den Bergen zu vereinfachen. So können in Andermatt-Sedrun mit der Sepp-App Parkgebühren bezahlt werden. In der Aletsch Arena erleichtert die Social-Pass-App die Angabe der Kontaktdaten. Die Skigebiete empfehlen zudem das Benutzen der Swiss-Covid-App.

Mehr


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?