Vermisster Bub Andrii (13)
Darum sucht die Polizei so selten öffentlich nach Teenies

Andrii (13) wurde in Aegerten BE vermisst – nach fünf Tagen hat die Polizei die Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten. Das geschieht nur in den seltensten Fällen.
Publiziert: 28.12.2018 um 19:10 Uhr
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Aktualisiert: 13.01.2021 um 12:03 Uhr

Fast täglich alarmieren besorgte Eltern irgendwo in der Schweiz die Polizei, weil sie ihren Nachwuchs vermissen. Doch ganz selten veröffentlicht die Polizei dann auch eine Vermisstmeldung, wie jetzt beim 13-jährigen Andrii aus Aegerten BE, der während fünf Tagen vermisst wurde. Heute tauchte er in Deutschland wieder auf.

Was kaum bekannt ist: Fast 5000 Menschen werden jedes Jahr als vermisst gemeldet. Die meisten tauchen nach Stunden wieder auf. Und die «SonntagsZeitung» hat im Frühjahr die Vermisstmeldungen von 13 Kantonen ausgewertet, um festzustellen, wie viele Minderjährige betroffen sind.

Fast die Hälfte aller Vermissten sind minderjährig

Resultat: In Basel-Stadt und Freiburg lag der Anteil der Kinder 2017 bei 44 Prozent. Auch im Waadt und in Obwalden war mehr als die Hälfte aller Vermissten unter 18 Jahren. Relativ oft sucht die Tessiner Kantonspolizei vermisste Jugendliche mit Hilfe der Öffentlichkeit. Kein anderer Kanton setzte 2017 mehr öffentliche Aufrufe ab. Bei insgesamt 83 Fällen informierte man die Öffentlichkeit 33 mal.

Der vermisste Andrii (13) tauchte nach einigen Tagen wieder auf.
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Dass die Polizei sonst zurückhaltend nach Minderjährigen sucht, hat gute Gründe: Ein Jugendlicher kann nach wenigen Tagen unversehrt wieder zurückkehren – oder irgendwo unversehrt auftauchen, wie der Fall von Andrii exemplarisch zeigt. Oft sind die vermissten Jugendlichen Ausreisser, hauen ab zu Freunden. Weil sie Streit zuhause hatten, Stress – die Gründe sind vielfältig.

Öffentliche Fahndung kann verängstigen

Wird nun mit Bild und Name nach einer Person gesucht, wird dies oft tausendfach auf sozialen Netzwerken geteilt, die Daten sind nicht mehr kontrollierbar – und unter Umständen noch Jahre danach über Suchmaschinen auffindbar.

Als erstes setzt sich die Polizei deshalb auch immer mit der Familie zusammen: Ohne deren Einverständnis gibt es keinen öffentlichen Aufruf. Denn der hat nicht nur positive Effekte. Der Polizeisprecher Silvain Guillaume-Gentil sagt zur «SonntagZeitung»: «Eine Öffentlichkeitsfahndung kann eine Person auch verängstigen, so dass sie sich noch weiter absetzt.»

Notschlafstellen für Jugendliche

In den grossen Städten existieren Notschlafstellen für Jugendliche, die rege genutzt werden, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. 2016 nahm die Notschlafstelle in Zürich 40 Teenager auf, dieses Jahr waren es 80.

In Basel und Bern gibt es ähnliche Angebote, die ebenfalls rege genutzt werden. Jährlich nutzen das Angebot rund 20 Jugendliche, die Mehrheit ist 15 oder 16 Jahre alt. In Bern finden 47 Jugendliche pro Jahr Unterschlupf, davon knapp zwei Drittel Mädchen. (neo)

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